Lesung aus der Apostelgeschichte - Apg 28, 16-20.30-31
16Nach unserer Ankunft in Rom erhielt Paulus die Erlaubnis, für sich allein zu wohnen, zusammen mit dem Soldaten, der ihn bewachte.
17Drei Tage später rief er die führenden Männer der Juden zusammen. Als sie versammelt waren, sagte er zu ihnen: Brüder, obwohl ich mich nicht gegen das Volk oder die Sitten der Väter vergangen habe, bin ich von Jerusalem aus als Gefangener den Römern ausgeliefert worden.
18Diese haben mich verhört und wollten mich freilassen, da nichts gegen mich vorlag, worauf der Tod steht.
19Weil aber die Juden Einspruch erhoben, war ich gezwungen, Berufung beim Kaiser einzulegen, jedoch nicht, um mein Volk anzuklagen.
20Aus diesem Grund habe ich darum gebeten, euch sehen und sprechen zu dürfen. Denn um der Hoffnung Israels willen trage ich diese Fesseln.
30Er blieb zwei volle Jahre in seiner Mietwohnung und empfing alle, die zu ihm kamen.
31Er verkündete das Reich Gottes und trug ungehindert und mit allem Freimut die Lehre über Jesus Christus, den Herrn, vor.
Impuls:
Kein Happy End, aber ein offenes Ende beschließt die Apostelgeschichte des Lukas. Die Leser kennen das Schicksal des Paulus. Lukas muss über sein Ende nichts berichten. Im Vordergrund steht der Weg nach Rom, in die Hauptstadt des römischen Reichs. Es ist wahrscheinlich, dass zur Zeit der Abfassung der Apostelgeschichte noch eine lebendige Erinnerung an das Wirken des Paulus in Rom bestand. Auch wenn wir kaum außerbiblische Zeugnisse für das Wirken des Paulus in Rom haben, finden sich bis zum heutigen Tag wichtige Erinnerungsorte an die zwei Jahre, die Paulus hier bis zu seinem Tod verbrachte.
Vom Hafen Puteoli, dem heutigen Pozzuoli bei Neapel, führt ein Pilgerweg auf einer der wichtigsten römischen Straßen, der via Appia, in die Heilige Stadt zu seiner Grabeskirche.
Die Kirche San Paolo alla Regola gilt als die in der Apostelgeschichte erwähnte erste Wohnung des Apostels, ganz nahe am jüdischen Viertel. In S. Maria in via Lata wird die zweite Wohnung verehrt, in der noch eine Säule, an der er der Legende nach angekettet war, und ein Taufbrunnen gezeigt werden.
Auf dem Forum Romanum sollen Petrus und Paulus im Staatsgefängnis Mamertinum vor ihrer Hinrichtung gefangen gehalten worden sein.
Während Petrus im Circus des Caligula auf dem vatikanischen Hügel gekreuzigt und in der Nähe beigesetzt wurde, soll Paulus in Tre Fontane enthauptet und an der via Ostiense, in der heutigen Basilika San Paolo fuori le mura, seine letzte Ruhestätte gefunden haben. Es gibt viele Orte, die an das Wirken der Apostel in Rom erinnern. Die zeitgenössische Überlieferungslage ist zwar dünn, aber schon am Ende des ersten Jahrhunderts ist die Überzeugung, dass die Gräber der beiden wichtigsten Apostel sich in Rom befinden, weit verbreitet und kaum bestritten. Die beiden Apostel, die so unterschiedlich in ihrer Lebensgeschichte und ihrer Verkündigung waren, bilden heute als Einheit den Referenzpunkt für die Sendung der Kirche. Paulus, der das Evangelium bis ans Ende der Erde tragen will, und Petrus, der als Fels der Einheit, die Brüder und Schwestern im Glauben stärken soll, bilden zusammen das Fundament der Kirche Jesu Christi und bezeugen so, dass die Kirche immer auch ein großes Spektrum an Formen des Christseins aushalten kann. Lukas hat uns diese Zusicherung in seiner Darstellung der Taten der Apostel, der Apostelgeschichte, dauerhaft hinterlassen.
Die Apostelgeschichte ist kein Heldenroman, auch wenn sie im Nachhinein manche Spannung glättet. Sie will die Kirche zu allen Zeiten im Vertrauen stärken, dass Gottes Geist sie führt und zur glaubwürdigen Zeugin für das Evangelium Jesus macht.
Sven Johannsen, Pfarrer