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Predigt in der Osternacht 2018 in der Stadtpfarrkirche Lohr – In die vollbesetzte Kirche wurde am Karsamstagabend die neu entzündetete Osterkerze getragen und so das Osterfest in Lohr begonnen. In seiner Predigt griff Pfarrer Johannsen die aktuelle Diskussion auf, welche Religion zu Deutschland gehört. Ohne Ostern gäbe es kein Christentum. Würden die Christen leben, was sie in der Taufe als Auftrag bekommen haben, dann gäbe es keine Diskussion, welche Religion unser Land prägt.

Predigt Osternacht 2018 „Unsere christliche Identität“

 

Liebe Schwestern und Brüder

 

seit einigen Monaten führen wir wieder eine Debatte um ein Wort des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der erklärte, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Von konservativer Seite wurde die Diskussion wieder aufgerollt, wohl nicht zuletzt um politisch damit bei der Wählerschaft zu punkten: Muslime gehören zu Deutschland, aber nicht der Islam. Wir sind ein christlich geprägtes Land, so die Argumentation der Politiker. Am Gründonnerstag konnte man in einem Leserbrief einer unserer beiden Tageszeitungen vor Ort dazu ausführlich die Begründung lesen: Wir feiern christliche Feiertag, Weihnachten, Ostern, Allerheiligen, Mariä Himmelfahrt. Wir pflegen christliches Brauchtum. Wir haben überall Kreuze als Identitätsmerkmal des Christentums. Man sieht es allenthalben: Deutschland ist vom Christentum geprägt. Das scheint einleuchtend. Und immerhin gehören noch gut 60 Prozent unserer Bevölkerung einer christlichen Kirche an. Das Argument, man kann es objektiv sehen, dass wir christlich sind, sticht also. Oder nicht?

Der Theologe und Psychotherapeut Manfred Lütz hat im Vorwort seines neues Buches „Der Skandal der Skandale, die geheime Geschichte des Christentums“, in der die oft verzerrt dargestellte Geschichte des Christentums als eine Abfolge von Skandalen, Kriege und Gewalt auf ihren Wahrheitsgehalt prüft, ein sehr interessantes Wort geschrieben: „Das Christentums ist die unbekanntestes Religion in Europa“ Also über keine Religion wissen Deutsche so wenig wie über das Christentum und das unbeschadet von mindestens neun Jahren Dauerbefeuerung im Religionsunterricht. Man hat viele Vorurteile über das Christentum, die es zu einer Religion der Gewalt machen: Die Kreuzzüge, die Religionskriege zwischen Katholiken und den Christen der Reformation, die Hexenprozesse. Und man hat viele Klischees, was christlich ist: Brauchtum und Traditionen. Aber ist das wirklich das Christentum. Nicht nur dass, diese Stammtischweisheiten, die von schlecht gemachten History-Sendungen im Fernsehen, über Kreuzzüge u.ä. meist nicht die wirkliche Wahrheit erfassen, stellt sich doch die Frage, ob das Christentum sich erschöpft im Aufstellen eines Weihnachtsbaumes, im Besuch der Gräber an Allerheiligen, in der Taufe von Kindern. Was ist Christlich? Das müssen sich nicht nur die Fragen, die als Angehöriger einer anderen Religion in unser Land kommen, sondern auch wir als Erben des christlichen Abendlandes. Was also ist wirklich Christlich, sein Kern, das Herzstück unseres Glaubens?

 

Die Antwort ist einfach: OSTERN

OSTERN ist das Zentrum, ohne Ostern gibt es kein Christentum. Ohne Ostern macht Weihnachten keinen Sinn, bleibt das Leben des Jesus von Nazareth nur einer von vielen gescheiterten Versuchen eines Gutmenschen, die Welt ein Stück besser zu machen. Ohne Ostern wäre nichts von dem, was uns am Vordergründig christlichen so wichtig ist von Bedeutung. Wozu bräuchten wir so prächtige Barockkirchen wie den Petersdom, wenn wir darin nicht die Auferstehung Jesu bezeugen. Sie wäre nichts anderes als das Mausoleum für einen unbekannten Fischer aus Betsaida. Wozu bräuchten wir Wallfahrten oder Pilgerwege nach Santiago, sie wären nichts anderes als sportliche Höchstleistungen oder Wege der Verzweifelten Sehnsucht, die sich nicht erfüllt Wozu ließen wir Kinder taufen, wenn wir sie nicht in das neue Leben mit Christus führen wollten. Die Taufe wäre nichts als magischer Hokuspokus, mit der wir irgendeine Schicksalsmacht beschwören wollten um ihren Schutz für dies Leben zu erringen.

Ohne Ostern wäre alles nichts am Christentum.

Dann aber wird es zumindest fraglich, ob das Christentum wirklich noch zu unserem Land gehört. Denn dann entscheidet ja nicht die Zahl der Getauften, sondern derer, für die Ostern von Bedeutung ist. Und das sind nach allen Umfragen immer weniger. Wenn noch ein Viertel der Deutschen an die Auferstehung Jesu glaubt, dann ist es nicht mehr weit her mit dem Christentum in unserem Land und dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn andere sich anschicken uns abzulösen.

 

Wenn unsere Kultur christlich sein will, dann muss sie eine österliche Kultur sein. Aber wann ist sie das? Wenn sie bunte Eier versteckt? Wenn Sie dem Osterhasen jagt? Wenn sie am Karfreitag nicht tanzt? Das ist wohl etwas wenig. Österlich ist sie nicht weil sie von Gründonnerstag bis Ostermontag Feiertage hält, sondern weil die Menschen österlich werden, d.h. Menschen, die aus ihrer Taufe leben. Ostern ist der klassische Tauftermin der Kirche. Heute und ausschließlich heute wurden in der frühen Kirche Menschen durch die Taufe in die Gemeinschaft der Kirche mit Christus aufgenommen. Paulus schreibt heute den Römern den wichtigsten Gedanken, der sich mit Taufe und Ostern verbindet: Es geht um Leben und Tod, nicht um ein Aufnahmeritual.

 

 

Was geschieht in der Taufe?

 

Wir sind mit Jesus gestorben in der Taufe und wir sind neue Menschen geworden. „Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt, so Paulus“. Es geht also um alles, um eine neue Art zu Leben und einen Umgang mit dem Tod.

Gerade zwanzig Jahre liegen zwischen dem Geschehen der Passion und der Auferstehung und den Worten des Apostels. Wie oft muss er darüber nachgedacht haben, was das Christsein ausmacht: nicht nur Menschlichkeit und Nächstenliebe, nicht nur eine Reform des jüdischen Gesetzes, nicht nur ein neues Ritual des Herrenmahls, sondern eine neue Lebenseinstellung, eine neue Haltung zur Welt und zum Tod.

 

Er erinnert uns an den Tod Jesu. Das ist die das große historische Datum, an dem wir nicht vorbeikommen. Es ist kein Betriebsunfall, den man übergehen kann: Jesus ist gestorben, damit wir in seiner Auferstehung den großen Übergang vom Tod zum Leben meistern können.

 

Das zentrale Wort für das, was wir heute feiern, ist tatsächlich Übergang. Wir gehen über vom Dunkel der Nacht ins Licht des Tages, wir gehen über von der Knechtschaft des Todes und der Sünde in die herrliche Freiheit der Kinder Gottes, wir gehen über von endlichen Wesen zu ewigen Erben.

 

Übergänge gehören zu unserem Leben, zu unserem Kirchesein und unserem Glauben. Sie prägen unsere Entwicklung vom Kind zum Jugendlichen, vom Jugendlichen zum Erwachsenen, vom jungen Menschen zum Alten Menschen. Und immer bedeuten sie, dass wir etwas zurücklassen und uns öffnen müssen für Neues. Das macht auch Angst und viele verweigern diesen Schritt. Werde ich den Übergang zum Erwachsensein bestehen und mein Leben meistern? Werden wir den Übergang in eine neue Art von Kirchesein gelingen oder klammern wir uns an das Alte, das nicht bestehen kann?

Welche Sicherheiten lasse ich da zurück? Werde ich den Übergang in die Rente bestehen? Bin ich dann nicht wertlos geworden, wenn ich nichts mehr Produktives leiste? Werde ich den Übergang vom Versorger der Familie hin zum Alten Menschen, der jetzt auf die Hilfe anderer angewiesen ist, verkraften? Das Volk Israel wird gezwungen den Übergang von der Sklaverei in die Freiheit durch den Durchzug durch das Rote Meer zu bewältigen. Und sie gehen, vielleicht auch mit manchen Ängsten und Sorgen beschwert, aber dennoch vertrauend, dass Gott sie in die Zukunft führt, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen, in ein Leben als seine Kinder.

 

Genau darin spiegelt sich das Eigentliche unseres Glaubens wider. Wir bleiben nicht stehen, wir erliegen nicht der Angst, wir wagen das Vertrauen in Gott.
Österliches Leben ist nicht ein Verleugnen der Krise, die ist bei Paulus deutlich im Sterben müssen mit Christus angesprochen. Österliches Leben ist der Mut, weiterzugehen und nicht das Festhalten am Alten.

 

Der österliche Mensch erliegt nicht der Angst vor dem Verlust der Sicherheit. Er wagt das Leben und geht volles Risiko. Wir wissen, dass unsere Zeit vergeht, dass wir nicht alles haben und erreichen können, was die Welt uns bietet. Aber wir kreisen nicht um den Verlust, sondern trauen dem Neuen. Wir können großzügig geben und leben, und müssen nicht voller Angst schauen, was wir nicht haben und erreichen. Ostern befreit zum Leben, weil wir den Tod schon hinter uns haben.
Ich bin überzeugt, wenn unsere Gesellschaft christlich sein will, dann braucht sie österliche Menschen, Menschen, die nicht dem nachtrauern, was nicht mehr ist, was sie nicht gehabt haben, sondern Menschen, die voll Hoffnung leben, dass Gott noch etwas zu geben hat. Leben.

 

Die Christen müssten mir erlöster aussehen. Bessere Lieder müssten sie mir singen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte.“ So hat der Philosoph Friedrich Nietzsche über die Christen geurteilt. Und gänzlich Unrecht hat er nicht: Nicht der Weihnachtsbaum und der Martinszug machen das Christliche zum prägenden Element unserer Gesellschaft, sondern unsere erlöste Lebenshaltung. Ostern macht uns Getauften Mut, nicht vor dem eigentlichen Leben davonzulaufen in dem wir den Wahnvorstellungen eines glücklichen Lebens nachjagen, sondern unser Leben zu wagen mit all seinen Übergängen und Umbrüchen bis zum letzten großen Schritt in das ewigen Leben.

 

Wenn wir aus dem Osterglauben leben, wenn er uns Christen prägt, dann werden wir auch hoffnungsvoller, liebender und befreiter leben. Und das würden Menschen spüren, denn dann wären wir Osterzeugen. Dann aber bräuchten wir keine Debatten führen, welche Religion unser Land prägt Dann haben in unserer Gesellschaft Hass und Fremdenfeindlichkeit, die wie ein Krebsgeschwür wachsen, keine Zukunftschancen. Denn dann wäre es klar: Der christliche Glaube ist die Hoffnung für alle. Amen.

 

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