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Liebe Schwester und Brüder

6. Mai 2023 - haben Sie den Termin schon fest eingeplant?

An diesem Samstag werden wahrscheinlich wieder Millionen von Deutschen vor den Fernsehern sitzen. Vor einigen Wochen gab der Buckingham-Palast bekannt, dass an diesem Tag die Krönung von Charles III. vollzogen wird. Nach über siebzig Jahren wird dann in der Westminster Abbey wieder ein englischer Monarch mit einer feierlichen Zeremonie in sein Amt eingeführt. König ist er ja schon im  Augenblick des Todes seiner Mutter geworden. Zwei Tage später wurde er dann im St. James-Palast durch den den Accession Council zum König proklamiert. Weil man die Krönung als einen freudigen Anlass empfindet, wird nach alter Tradition die Feier  auf einen Zeitpunkt nach einer angemessenen Trauer festgelegt. Die Krönung seiner Mutter Elisabeth II war 1953 das erste länderübergreifende Großereignis der Fernsehgeschichte. 11 Stunden lang sendete die BBC live von den Feierlichkeiten und übertrug sie auch in deutschsprachigen und französischsprachigen Länder. Es war eine Sensation, dass die Krone und die Kirche überhaupt eine solche Live-Übertragung gestatteten. Nötig war dafür eine massive Medienkampagne im Vorfeld, denn eigentlich sah man diesen Akt als zu heilig für das Fernsehen an. Treue Anhänger des Königshaus gruselte die Vorstellung von Millionen Zuschauern auf der Couch mit Tee und Gebäck vor sich. Die Krönung von Elisabeth war ein wichtiger Schritt in der Erfolgsgeschichte des Fernsehen. Der Absatz von TV-Geräte stieg sprunghaft und erstmals übertraf die Zahl der Fernsehzuschauer die der Radiohörer. Drei Stunden dauerte der Gottesdienst, der den Mittelpunkt der Feierlichkeiten bildete. Damit war die Feier schon eine reduzierte Fassung der ursprünglichen Zeremonie. Bis zur Krönung von George IV 1821 dauerte die Veranstaltung mehre Tage mit verschiedenen Prozessionen durch die Stadt und einem opulenten Krönungsbankett. Das konnte man sich dann später nicht mehr leisten. Aber auch die Krönungen bis 1953 waren sehr abwechslungsreich. Mehrfach musste die Monarchen Roben und Gewänder wechseln. Es gab festgelegte Rollen und Rituale, die vorschrieben, wann wer welche Krone aufziehen durfte bzw. wer sich wann erhebt oder hinkniet. Ort, Personen und Handlungen folgten einem Jahrhunderte alten Ablauf.

Am 6. Mai 2023 wird es deutliche karger und sparsamer zugehen. Charles ließ schon verkünden, dass die Feier gerafft wird, dass weniger Teilnehmer eingeladen werden und die Zeremonie diverser gestaltet sein wird.

Auf zwei Momente aber kann er nicht verzichten: Die Salbung und die eigentliche Krönung. Zugrunde liegen der Herrscherweihe in Europa die Verse, die wir heute in der ersten Lesung gehört haben: Die Salbung Davids zum König. Bereits von Samuel wurde David als Hirtenjunge im Vorgriff auf diesen Tag im Auftrag Gottes gesalbt. König von Juda ist er schon seit dem Tod des verbitterten und glücklosen Saul. Jetzt kommen die Nordstämme und versichern ihm ihre Anerkennung als gemeinsamen König. Sie würdigen Davids Leistung und bestätigen ihn als Garanten der Einheit des Volkes. Eine dramatische Entwicklung, geprägt von Höhen und Tiefen, finden jetzt ihren Höhepunkt. David wird anerkannt von allen Stämmen im Süden und im Norden. So steigt er auf zum Höhepunkt und zur Krönung seines Lebens. Menschen brauchen solche Bestätigungsmomente. Kennen sie Augenblicke, die ihr Leben schon gekrönt haben?

  • Für Schüler ist die Krönung ihres Schullebens der sog. „Quali“, die Mittleren Reife oder das Abitur. Ein langer Weg mit viele Ungewissheiten endet mit der glanzvollen Verleihung des Abschlusszeugnisses. In eleganten Roben bekommen junge Menschen bestätigt, dass sie etwas für das Leben gelernt haben.
  • Musiker, Chöre und Orchester erleben nach monatelangen Proben die Aufführung einer Messe oder ein Konzert als krönenden Abschluss der großen Mühen, die dann vergessen sind, weil jetzt klar ist, dass sich alles gelohnt hat.
  • Titel, Belohnungen oder Posten sind für viele Menschen die Krönung ihrer Arbeitsleistung.
  • Die deutsche Nationalmannschaft wird es als Krönung ihrer Anstrengung erfahren, wenn sie Weihnachten einen Titel nach Hause bringen kann.
  • Sicher ist noch immer die Geburt der Kinder für die meisten Menschen die Krönung ihrer Partnerschaft
  • Im Alltag krönen wir einen schönen gemeinsamen Tag oder ein Fest mit einem guten Essen oder einem schönen Spaziergang.

Der Mensch braucht krönende Abschlüsse für Lebensabschnitte, Tage und große Ereignisse. Das müssen ihm andere gewähren, selbst schaffen kann er es nicht. Ich kann mich nicht selbst dauerhaft Krönen. Das wäre Überheblichkeit. David kann in sich das Gefühl tragen, dass er fähig ist, das Nord- und Südreich zu einen, aber es muss von außen bestätigt werden.

Selbst am Kreuz muss Jesus als König von anderen gekrönt werden durch ihre Anerkennung. Dreimal führt man ihn heute in Versuchung, sich selbst zu retten und so seine Macht zu zeigen. Aber wie schon bei der Versuchung durch den Teufel widersteht er. Andere bestätigen seine Würde: Einer der beiden Verbrecher und der heidnische Hauptmann. Sie fordern keine Beweise für Jesu Stellung. Sie erkennen ihn, weil sie keine falschen Erwartungen hatten. Die Masse schlägt sich nach dem Tod Jesu betroffen auf die Brust. Was hatten sie denn erwartet? Ein großes Spektakel. Wer die große Show als das Zeichen der Macht Gottes fordert, wird enttäuscht werden. Er erweist sich nicht als Herr, indem er Menschen die Freiheit raubt. Er will erkannt werden im alltäglichen Leben, das erfüllt ist von seiner Gegenwart und Zuwendung.

In diesem Sinn kann man sogar das Sterben eines Menschen als Krönung des Lebens verstehen. Immer wieder betonen die Heiligen Schriften, dass wir im Tod vor den Richterstuhl Gottes treten werden. Ich empfinde das nicht als eine Drohung, sondern eine Verheißung wie das Wort Jesu an den Mann, der neben ihm hängt: „Du wirst mit mir heute im Paradies sein.“ Das Wort vom richtenden Gott will ja keinen unbarmherzigen Buchhalter als Schreckgespenst an die Wand malen, sondern zusagen, dass unser Leben Wert und Bedeutung hat. Unser Leben wird nicht beendet, sondern vollendet. Es wird dunkel Stellen geben, die ich bedauere, aber mein Lebensentwurf mit all seinem Bemühungen wird von Gott zum krönenden Abschluss geführt, dem Leben ohne Schmerzen und Begrenzungen. Die kleinen Krönungen unseres Lebens sind schon ein Vorgeschmack auf das, was wir von Gott erhoffen dürfen.

Unverzichtbar gehört zur Krönung die Salbung. 1953 wurde sie als so heiliger Akt gesehen, dass sie als einziges nicht vom Fernsehen übertragen werden durfte. Nach dem Heilig-Geist-Hymnus wird über dem Monarchen von vier Ritten des Hosen-bandordens ein Baldachin gespannt. Danach salbt der Erzbischof von Canterbury den Monarchen mit geweihtem Öl an den Händen, an der Brust und am Kopf.
Dazu wird auch Charles III ein einfaches weißes Gewand tragen, das an das Taufkleid erinnert. Die Weihe eines Herrschers fußt also in der Salbung, die mit der Taufe verbunden ist. Nach dem Übergießen mit Wasser wird das Kind mit Chrisamöl gesalbt. Dabei spricht der Priester oder Diakon: „Du wirst nun mit dem Heiligen Chrisam gesalbt, denn du bist Glied des Volkes Gottes und gehörst für immer zu Christus, der gesalbt ist zum Priester, König und Propheten in Ewigkeit.“ Die Salbung, die jeder von uns empfangen hat, drückt also zweierlei aus: Wir gehören unwiderruflich zu Christus. Ich kann aus der Kirche austreten, aber ich komme nicht von Christus los. Der Geist Jesu zieht in mich ein wie die Salbe, die wir auf die Haut schmieren. Es gibt eine Verbindung mit Christus, die tiefer ist als jedes mündliche Bekenntnis, Wissen von Lehrsätzen oder formale Konfessionsmerkmal. Ich kann diese Christusverbindung auch nicht verlieren, weil ich nicht so lebe wie es der kirchlichen Norm entspricht. Niemand kann sie dem anderen absprechen, weil er in einer zweiten Ehe oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Darüber kann man in der Kirche unterschiedlicher Meinung sein, aber die Würde der Gotteskindschaft bleibt immer.

Die Salbung  hat eine lange Bedeutungsgeschichte. Zunächst dient sie in der alten Welt des Orients der Körperpflege und der Kosmetik. Übertragen hat es Paulus, wenn er den Korinthern schreibt: „Durch Christus sind wir ein Wohlgeruch für Gott. 16 Für die einen ist es ein Verwesungsgeruch, der ihnen den Tod bringt; für die anderen aber ein angenehmer Duft, der ihnen neues Leben gibt. “ (2 Kor 2,15) Man kann also wahrnehmen, ob wir Gutes oder Böses im Sinn haben. Als Menschen, die zu Christus gehören, zeigen wir durch unsere Taten, welcher Geist in uns wirkt. Wohlgeruch Gottes sind wir nicht, weil wir einen äußeren Schein aufbauen, sondern weil aus unserem Herzen ein gutes Aroma dringt. Dann aber ist die Salbung bei Amts-übertragungen ein Zeichen der Bestätigung durch Gott. Könige werden in Israel gesalbt, weil der Geist Gottes durch sie wirken will. Öl ist das Sinnbild göttlicher Lebensenergie. Jesus selbst weiß sich im Lukas-Evangelium als der Gesalbte. Zu Beginn seines Auftretens wird er in der Synagoge von Nazareth auf sich die Worte des Propheten Jesaia deuten: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ (Lk 4,18-19) Seine Königssalbung erfährt er wenig später im Haus des Pharisäers Simeon durch eine Frau mit zweifelhaftem Ruf. Sie wird ihm die Füße mit Öl salben und mit ihrem Haar abtrocknen. Simeon sieht nur, dass diese Frau nicht seinen Moralvorstellungen entspricht, Jesus aber deutet ihr Tun als Werk der Liebe. Sie salbt ihn bereits für seine Inthronisation als König am Kreuz.

Wenige Menschen erkennen ihn, unter ihnen der zweite Verbrecher am Kreuz. Sie aber binden  ihr Schicksal und ihre Hoffnung ganz an ihn. Das kann manchmal einen Weg des Leidens bedeuten. Wir denken heute auch an die Christen, die in der Bedrängnis treu bleiben und deshalb Verfolgung erleiden. Weltweit sind die Schwestern und Brüder, die für ihren Glauben Nachteile erfahren, mitunter sogar ihr Leben riskieren, die größte Gruppe von Menschen, die aufgrund ihres Glaubens verfolgt werden. Die Ausstellung im Fischerhaus zeigt das sehr eindrücklich.
Für uns aber soll die Zugehörigkeit zu Christus etwas Heilendes sein. Salbung war immer auch ein medizinischer Akt. Der verwundete Arzt Christus heilt die Wunde des Todes. Die Soldaten und Massen machen sich über ihn lustig und verspotten ihn, weil er nicht vom Kreuz steigt“. Der zum Tod verurteilte Mensch neben ihm aber erfährt, dass er keine Angst mehr haben muss, dass er sein Leben verpfuscht hat und nicht vor Gott bestehen kann. Jesus erweist sich ohnmächtig gegenüber menschlicher Gewalt, die sich gegen ihn richtet, mächtig aber, wenn Menschen sich ganz an ihn binden und auf ihn hoffen. Er kann die Wunde der Schuld und des Todes heilen, weil er am Kreuz eingesetzt wurde zum König über das Leben. Auch uns wird vom Gesalbten des Herrn am Kreuz eine Gnadenzeit Gottes zugerufen. Sorgen und Probleme, Älterwerden und Gebrechlichkeit müssen unsere Seelen nicht krank machen. Auch die Wunden unseres Lebens, unserer Schuld und unserer Angst vor dem Tod können Heilung finden. Daran zu glauben, lädt uns das heutige Fest ein, an dem uns im Kolosserbrief über Christus gesagt wird: „Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles auf ihn hin zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut.“                                                   Sven Johannsen, Pfarrer - Lohr

Christkönig_2022_Krönung.pdf

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