Josef_die_schweigenden_MEhrhiet_2023.pdf
Was den Heiligen Josef so sympathisch macht? Er redet nicht. Josef ist keiner, der immer zu allem seinen Senf geben und seine Sicht der Dinge hinausposaunen muss.
Das ist wohltuend in einer geschwätzigen Welt. Bekanntlich sagt Josef in der Bibel kein Wort und ist übertragen der Patron aller, die sich an die Weisheit halten, dass Reden Silber, Schweigen aber Gold ist. Gesellt er sich so in die große Gruppe der schweigenden Mehrheit in unserer Gesellschaft, auf die Politiker so gerne verweisen und die sie angeblich vertreten? Die schweigende Mehrheit ist genauso anonym wie sie mächtig ist. Sie wird von Meinungsforschern gerne analysiert und ist doch nicht einzuschätzen. Die schweigende Mehrheit bringt Wahlen durcheinander, weil sie sich nicht so verhält, wie es die Prognosen vorausgesagt haben. Sie sammelt Unzufriedene und Zufriedene, Querdenker und Mitläufer, Verärgerte und Glückliche. Viele Parteien geben vor, zu wissen, was diese Gruppe denkt, und sie zu repräsentieren. Aber so wirklich kann keiner wissen, was die schweigende Mehrheit will. Die Publizistin Elisabeth Noelle-Neumann hat schon vor vielen Jahren die These vertreten, dass Menschen sich nur dann äußern, wenn sie das, was sie zu sagen haben, für die Mehrheitsmeinung halten. Wenn sie dagegen glauben, mit ihren Ansichten allein dazustehen, halten sie sich lieber zurück. Die schweigende Mehrheit vertritt also paradoxerweise die Menschen, die sich für eine Minderheit halten und deswegen lieber den Mund halten. Die Unterstellung legt sich nahe, dass es sich um Menschen handelt, die nicht öffentlich sagen, was sie wirklich denken, dafür aber an Stammtischen und in anderen geschützten Räumen als Kritiker und Nörgler auftreten. Auf vielen Kanälen verschaffen sich heute Menschen Gehör, die in der direkten Begegnung sich zurückhalten: Sie chatten, twittern, posten, teilen und liken oft krude Theorien und Ideen, ohne ihre Identität preiszugeben Wenn der heilige Josef zu dieser Art von schweigenden Mehrheit gehörte, dann wäre er kein Vorbild. Einen Mitläufer, der sich aufbläht, wenn er sich sicher fühlt, wird aber wohl Gott kaum als Pflegevater für seinen Sohn auswählen. Josef schweigt nicht, weil er sich wegduckt oder zu feige ist, etwas zu sagen. Er schweigt, damit andere Qualitäten um so mehr sprechen. Das ist die Botschaft der wenigen Stellen in der Bibel, in denen er uns entgegentritt. Ohne Worte hat er doch etwas für uns zu sagen.
Josef gibt schweigend ein beredtes Zeugnis der Gerechtigkeit
Nach biblischer Tradition meint Gerechtigkeit die Fähigkeit, jedem das zuzugestehen, was ihm als Mensch zukommt. Gerechtigkeit ist eine innere Haltung, die der Würde der einzelnen Person Respekt zollt. Zur Tugend der Gerechtigkeit gehört nicht das mitleidige Erbarmen, sondern die liebende Wertschätzung des anderen Menschen. Gegenüber Maria zeigt Josef diese Gerechtigkeit. Man kann seine Verwirrung über die Schwangerschaft Mariens verstehen. Dennoch kreist er nicht um sich, sondern versucht Maria die Zukunft nicht zu verbauen. Er will sie in Frieden gehen lassen ohne sie öffentlich zu demütigen. Auch in der Krise übernimmt er Verantwortung und zieht sich nicht in die Kammer des Selbstmitleids zurück. Jesus wird bei ihm aufwachsen, von ihm Tora lernen und sehen, wie man als Mann und Vater im Leben besteht. Er muss sich nicht in den Mittelpunkt drängen, sondern erfüllt treu seine Aufgaben im Hintergrund, schlicht und einfach, aber eben doch vorbildhaft und beredt. Der Eingangsvers zur Heiligen Messe verweist heute auf das Gleichnis Jesu vom treuen Knecht (Lk 12,42) und überträgt es auf Josef: „Seht, das ist der treue und kluge Hausvater, dem der Herr seine Familie anvertraut, damit er für sie sorge.“ Ich kann mir gut vorstellen, dass in solchen Worten und Gleichnissen Jesu das Beispiel seines Pflegevaters Josef anklingt und der schweigenden Handwerker zum sprechenden Verkünder wird.
Josef gibt schweigend ein beredtes Zeugnis vom Glauben
Die zweite große Eigenschaft des Heiligen Josef ist die Frömmigkeit, das Feststehen im Glauben an Gott und seine Gebote. Die Geistesgabe der Frömmigkeit hängt in ihrer Wortbedeutung eng mit dem Wort Tüchtigkeit zusammen. Es geht also um mehr als nur um ein privates Andachtsleben oder religiöse Pflichterfüllung. Frömmigkeit zielt auf ein Leben und Handeln aus dem Glauben ab. Josef steht in der rechten Beziehung zu Gott und lebt aus dem Vertrauen in ihn. Angesichts einer unklaren Zukunft gerät er nicht in Panik und verzieht sich nicht verängstigt. Wie Maria im Lukas-Evangelium so zögert der Josef im Matthäus-Evangelium keinen Augenblick nach dem der Engel ihm den Plan Gottes geoffenbart hat. Sicher wird er sich manchmal gefragt haben: „Geht das gut? Was kommt da alles auf uns zu? Warum mutet Gott ausgerechnet mir diesen Weg zu? Aber er lässt sich von solchen Gedanken nicht lähmen, sondern vertraut auf Gott. Er kennt die Geschichte seines Volkes Israel und weiß, dass es oft den Weg in die Wüste gehen musste, um Gott neu zu begegnen. So kann er daran glauben, dass die Tiefpunkte, durch die er als Mensch und Vater mit seiner Familien gehen muss, nicht von Gott wegführen, sondern ihn näher zu ihm bringen. Gegen alle Hoffnung Hoffnung zu haben, wie es Paulus heute an Abraham abliest, kann ich nur in der Sicherheit, dass die Macht Gottes stärker ist als alle dunklen Mächte, die auf mich eindringen. In dieser bedrückenden Zeit der Kirchenkrise und in den dunklen Stunden meines Glaubens nicht zu verhärten oder zu verzweifeln, sondern durchzuhalten im Vertrauen, dass Gottes Zusage „Ich bin da“ gilt, ist auch für uns eine Einübung in den Glauben des Josef, der uns zu dieser festen Zuversicht ermutigt.
Josef gibt schweigend ein beredtes Zeugnis vom echten Christsein.
Josef redet nicht, aber er handelt. Er, der einfache Zimmermann aus Nazaret, der sich wahrscheinlich nichts anderes gewünscht hat, als ein zufriedenes und bescheidenes Leben im Kreis seiner Familie in seiner Heimat Nazaret zu führen, genügend Arbeit zu haben, um alle zu versorgen, und nach den Willen Gottes zu leben, um so auch unter seinem Segen zu stehen, zeigt sich äußerst flexibel. Er ist sofort bereit, zu handeln, wenn Gott ihn neue Wege führen will. Einfach seinen Dienst tun und nicht verbittern, wenn es nicht so läuft, wie man es sich vorstellt, das zeichnet die Größe eines Menschen aus. Josef redet nicht, er packt an. Darum ist er auch der Fürsprecher und Schutzpatron all der Menschen, die nicht große Worte brauchen, sondern im Dienst an der Familie, an den Mitmenschen und an Gott treu und zuverlässig bleiben. Papst Franziskus hat den Heiligen Josef als „ein Vorbild für alle, die im Alltag, oftmals von der Öffentlichkeit unbemerkt, ihren Dienst am Nächsten tun“ beschrieben. Diese Menschen, Väter, Mütter, Großmütter, Großväter, Lehrerinnen und Lehrer, haben uns das Leben gelehrt, haben durch ihr Vorbild gezeigt, dass auch wir es meistern können und in Krisen nicht untergehen müssen. Menschen, die niemals einen Platz in den Geschichtsbüchern bekommen, werden aber für unsere Lebensgeschichte durch ihr Handeln und Vorbild prägend. Sie reden durch ihr Leben.
Josef tritt aus der schweigenden Mehrheit heraus. Er bewahrt als Geheimnis, was er über viele Vorgänge in der Welt und in seiner Religion denkt. Er gibt auch nicht preis, wie er es mit seinem Glauben hält, ob er Bewahrer oder Reformer ist, ob er dafür streitet, dass sich nichts ändern darf, oder ob er dringenden Handlungsbedarf für neue Formen sieht. Von daher ist es m.E. nicht zulässig, ihn für Richtungsstreitigkeiten in unserer Kirche in Anspruch zu nehmen. Was er erkennen lässt, ist seine feste Verwurzelung in den Traditionen seines jüdischen Glaubens und zugleich die Bereitschaft, auf Gott mehr zu hören als auf die Oberhäupter seiner Religion, deren Lehren ihm einen anderen Umgang mit Maria nahelegen. Aber Josef spricht durch seinen Glauben, seine Gerechtigkeit und sein Handeln von einem Gottvertrauen, das uns den rechten Weg durch dieses Leben zeigt. Er steht modellhaft für das Wort des 1. Johannesbrief: „Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit.“ Papst Franziskus hat diesen Gedanken auf den Heiligen Josef übertragen und ihn uns als Helfer an die Seite gegeben mit den Worten: „So kann jeder im heiligen Josef den Mann erkennen, der unbemerkt bleibt, den Mann der täglichen, diskreten und verborgenen Gegenwart: einen Fürsprecher, eine Stütze und einen Führer in schwierigen Zeiten“
Möge seine Fürsprache und sein Beispiel uns helfen, nicht in der schweigenden Mehrheit unterzugehen, sondern durch unser Leben und unseren Glauben ein beredtes Zeugnis von Gottes Nähe abzulegen. Amen Sven Johannsen, Pfarrer