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Predigt 2. Fastensonntag C - „Alles nur Fassade?“

Diamantenes Priesterjubiläum Monsignore Manfred Sand

Canal_Grande_2022.pdf

Liebe Schwestern und Brüder

 

Reisetagebuch Venedig - 2. Kapitel“ - Ich möchte Sie nach dem Ausflug in der letzten Woche heute einmal mehr in Gedanken mit nach Venedig nehmen zur dritten herausragenden Sehenswürdigkeit neben Markusbasilika und Dogenpalast, dem Canal Grande. Etwa 4 km lang zieht sich diese wichtigste Wasserstraße in Form eines umgekehrten „S“ durch die Lagunenstadt. Sie ist ursprünglich ein Mündungsarm des Brenta-Flusses und trennt Venedig in zwei Teile, die lange Zeit nur durch die berühmte Rialto-Brücke wie durch eine Klammer zusammengehalten wurde. Gleichzeit ist der Canal Grande aber auch die Prachtstraße der Stadt, deren Verkehr sich ja hauptsächlich auf dem Wasser bewegt. Er ist die Champs elysee, die Fith Avenue, der Ku'damm von Venedig. 200 Herrenhäuser, eigentlich Paläste, reihen sich links und recht am Ufer wie an einer Perlenkette, unter ihnen so berühmte Gebäude wie das „Ca d' oro“ oder „Ca Pesaro“. Es fällt auf, dass in der Regel nur die Schauseite zum Kanal prächtig verkleidet ist, während die drei anderen Seiten meist aus massiven Backsteinwänden bestehen. Alles nur Fassade und nichts dahinter? Nein, das ist typisch venezianischer Pragmatismus. Die Fassaden zum Kanal sind prächtig mit Marmor, Säulen, offenen Loggien und edelsten Gemälden gestaltet, aber um Gewicht zu sparen, das ja auf den Pfählen lastet, eben nur diese eine Seite. In den schmalen Gassen, die sich dann auf dem festen Teil um die Häuser schlängeln, reicht die massive Wand. Sie geben der prachtvollen Fassade einen soliden Halt. Innen fehlt es dann an nichts: Räume von vornehmen Kaufmannsfamilien, die jeden Fürsten erblassen ließen.

Eine prächtige Fassade, die sich sehen lassen kann, und ein massives Gebäude, das allem Stand hält, damit man im Inneren gut und sicher leben kann. Vielleicht könnte so im Idealfall auch unser Lebenshaus gebaut sein. Die Lesungen des heutigen 2. Fastensonntags geben uns dabei den Bauplan vor:

 

Abraham:

Er strahlt über alle Zeiten und alle Grenzen der Religionen hinweg als der Urvater des Glaubens an den einen Gott. Mit 75 Jahren brechen er und Sara aus ihrer Heimat im Irak auf und machen sich auf den Weg im vollen Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes. Heute aber, noch ist er der „Abram“, Ausdruck all dessen, was seine bisherige Lebensgeschichte prägte, erleben wir ihn in Angst und Zweifeln. Die Fassade des starken Glaubens scheint zu bröckeln. War da nichts dahinter und am Ende wird jetzt lediglich ein ewiger Lebemann demaskiert, der auf der Flucht vor dem Älterwerden ist? Für den Auftrag Gottes an Sara und ihn „Geh aus deinem Vaterhaus in ein Land, das ich dir zeigen werde“ verwendet die Bibel die Formel „Lech Lecha“, „Gehe für dich“ oder manchmal übersetzt „Gehe zu dir“. Was an Abram ausstrahlt, ist nicht ein blinder Gehorsam gegenüber Gott oder die Sehnsucht, noch etwas erleben zu wollen. Der Glaube ist ein Weg zu sich selbst. Was Abram erzittern lässt ist das Näherkommen des Bundesschlusses. Jetzt wird es wirklich ernst, denn nun lässt Gott mit ihm eine neue Zeit beginnen. „Halach“ meint hier nicht nur „gehen“, es heißt „Loslassen“ und „Abschied nehmen“. Der Weg Abrams ist kein Abenteuerurlaub, sondern Aufbruch ins Unbekannte. Damit dabei der Glaube nicht zerbricht, braucht es feste Mauern, die den Glaubenden halten. Für mich ist es das Verständnis, dass Glauben nicht ein „Fürwahrhalten“ ist, sondern „Vertrauen in eine Person“, die ich kennengelernt habe und die mich nicht enttäuscht hat.

Das Vertrauen Abrams gegenüber Gott gibt ihm überhaupt erst die Fähigkeit, das Alte in seinem Leben zu opfern, damit das Neue möglich ist. Dann aber geht es wie im Traum. Ich bin nicht ständig in der Krise des Glaubens. Das Urvertrauen in Gott, das die Strahlkraft unseres Glaubens erst stark sein lässt, trägt mich auch ganz unmerklich und lässt mich ohne Angst Neuland betreten, im Erwachsenwerden, in Entscheidungen über meinen Beruf, meinen Lebensort, Familie oder sogar den Ruf in die besondere Nachfolge Jesu als Ordenschrist oder Priester. „Lech Lecha“ - „Geh für dich“, „Geh zu dir“ - Wer einen starken Glauben ausstrahlen will, braucht ein festes Vertrauen in Gott, das trägt und hält. Dann wird er zum Zeugnis für andere, so wie aus Abram „Abraham“ wird, der „Vater der Menge“.

 

Paulus - Ahmt meinen Glauben nach

Wo haben wir Heimat? Wir können alte Zeiten verklären und nachtrauern, dass sie vorbei sind und wir so viel Schönes verloren haben. Im Leben von Pfarrer Sand, unserem Pensionär, ist das ja ganz augenscheinlich möglich geworden: Die Pfarrkirche, in der er seine Primiz gefeiert hat, wurde nur wenige Wochen später abgerissen. Aber unser christlicher Glaube ergeht sich nicht im sentimentalen und nostalgischen Schwelgen in vergangenen, „guten Zeiten“, er streckt sich nach der wahren Heimat aus, zu der wir noch unterwegs sind. Nicht, dass wir hier heimatlos in einem Jammertal herumtappen. Wir können hier bereits gut leben trotz der Widrigkeit einer veränderbaren und zerrissenen Welt, weil wir wissen, dass wir eine gemeinsame Nationalität als Mitbürger Gottes und Hausgenossen der Heiligen haben. Wir leben in einer Spannung zwischen dem „schon“, dem, was unser Leben hier lebenswert macht, und dem „noch nicht“, dem, was wir einmal erhoffen: Die Unverletzlichkeit der menschlichen Würde, das Heilen aller Krankheiten, die Fülle eines Lebens, das hier noch endlich ist. Gerade diese Spannung soll der Priester mit seiner Art zu leben wach halten. Hier, nicht in irgendwelchen moralischen Vorbildfunktionen, hat der Zölibat seinen tieferen Sinn. Auch wenn wir nicht alles mitnehmen können, dürfen wir versöhnt mit unserem Leben sein, weil es ausgerichtet ist auf die ewige Heimat. Die Lebensfreude, die wir ausstrahlen, wird getragen von einer Hoffnung, die unerschütterlich ist.

 

Der verklärte Jesus.

Warum nimmt er nur die drei Apostel mit auf den Berg? Ein erster Zugang für die „Drei-Zahl“ könnte sich in der juristischen Praxis Israel finden. Die Aussage von einem Zeugen muss durch zwei andere Zeugen bestätigt werden. Aber warum dann Petrus, Jakobus und Johannes, nicht Andreas, der ja als Bruder des Simon Petrus vielleicht sogar der erste Jünger Jesus war, oder Judas, den möglicherweise diese Offenbarung der Herrlichkeit davon abgehalten hätte, seinen schrecklichen Weg zu gehen? Der Kirchenvater Johannes von Damaskus hat es aus der Bedeutung der drei genannten Apostel heraus gedeutet: Petrus hat gerade sein Bekenntnis zu Jesus als dem „Sohn Gottes“ abgelegt, das nun durch den Vater bestätigt wird. Jakobus ist einer alten Tradition nach der erste Apostel, der als Blutzeuge mit seinem Leben die frohe Botschaft verkünden wird. Johannes schließlich gilt als der tiefste Theologe unter den Evangelisten, der in seiner Überlieferung den Gedanken „Wir haben seine Herrlichkeit geschaut“ konsequent entfaltet. Ob das so von heutigen Exegeten geteilt wird, sei dahingestellt. Aber es wird deutlich, dass alle drei etwas auszeichnet, was sie dann zu Zeugen der österlichen Herrlichkeit Jesu in dieser Welt macht. Sie sind sich dessen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, nur Jesus und der Evangelist können es wissen, aber sie spüren, dass eine besondere Verantwortung auf ihnen liegt. Darum will Petrus den etwas naiven Versuch unternehmen, Hütten zu bauen und muss erfahren, dass er dem Gottessohn folgen, aber ihn nicht festhalten kann. Er kann Jesus nicht kontrollieren. Niemand in der Kirche kann das. Wir können nur auf ihn hören. Dieses Hören ist das solide Mauerwerk für ein Zeugnis, das ausstrahlt. Wir haben von Gott Fähigkeiten bekommen, die uns helfen, seine frohe Botschaft zu verkünden, durch unser Tun, durch unser Reden, durch unser Denken. So wie wir in Gedanken, Worten und Werken schuldig werden können, so können wir in ihnen auch die je eigene Befähigung zum Zeugnis der frohen Botschaft entfalten.

 

Liebe Schwestern und Brüder

Vor genau einem Jahr besuchte Papst Franziskus den Irak, die Heimat Saras und Abrahams. In einem Gebet der Kinder Abrahams hat er die Bitte der Menschen in verschiedenen Religionen ins Wort gebracht mit den Worten: Wir bitten dich, du Gott unseres Vaters Abraham und unser Gott: Schenke uns einen starken Glauben, der sich für das Gute einsetzt, einen Glauben, der unsere Herzen für dich und für alle unsere Brüder und Schwestern öffnet, und eine Hoffnung, die sich nicht unterdrücken lässt und überall die Treue deiner Verheißungen zu erkennen vermag. Ein solche solide Hoffnung lasse auch unseren Glauben strahlen und zum Licht für die Menschen werden. Amen. (Sven Johannsen, Lohr)

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