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Predigt 25. Sonntag im JK C - 18.09.2022

„Vermögenstipp für den Reichtum vor Gott“

 25_Wie_auf_gute_Art_reich_werden_2022.pdf

Liebe Schwestern und Brüder,

Wahrscheinlich können nur wenige etwas mit dem Namen „Luca Pacioli“ etwas anfangen, obwohl wir ihm eine der genialsten Theorien verdanken, die viele Menschen enorm reich gemacht hat: Die doppelte Buchführung. Ich meine jetzt nicht die „doppelte Buchführung“ im Sinne von einer gefälschten Bilanz für das Finanzamt und einer „echten“ zur eigenen Bereicherung. Die kann zwar auch reich machen, aber noch sicherer bringt sie einen ins Gefängnis. Seit den Zeiten der Medici, Fugger und der großen Bankhäuser der Renaissance buchen Geschäftsleute jeden Vorgang sowohl unter „Soll“ als auch unter „Haben“ und schaffen somit Transparenz, die erst eine vernünftige Einschätzung von Gewinn oder Verlust erlaubt. Luca Pacioli war wohl nicht wirklich der Erfinder der doppelten Buchführung, aber der erste, der dieses kaufmännische System 1494 schriftlich fixierte und so für alle zu einem nachvollziehbaren Modell  zusammenfasste. Einerseits war er dafür prädestiniert. Pacioli war ein genialer Mathematiker und Logiker. Er schrieb ein populäres Buch über  das Schachspiel, war der Mathematiklehrer von Leonardo da Vinci, mit dem er eng befreundet war, verfasste eine viel beachtete Abhandlung über den „Goldenen Schnitt“ und darf sich rühmen, der erste Mathematiker zu sein, dessen Buch gedruckt wurde.  Luca Pacioli war ein leidenschaftlicher Denker, den mathematische und logische Fragen magisch in ihren Bann zogen. So wundert es eigentlich nicht, dass ein solcher Mensch sich auch mit dem kaufmännischen Rechnungswesen beschäftigte und bis heute gültige Lösungen fand. Es war seine Leidenschaft, alle Rätsel zu entschlüsseln, die sich um Zahlen drehten. Andererseits wundert es, dass gerade er zum Urvater des kaufmännischen Erfolgs wurde. Luca Pacioli war nämlich Franziskaner, also ein Nachfolger des „Poverello“, des „heiligen Armen“ Franz von Assisi. Keiner steht in unserer Kirche mehr für das Ideal der Besitzlosigkeit und der völligen Freiheit von allem Materiellen als der heilige Franziskus. Und dann ist es einer seiner Brüder, der die Grundlage für Erfolg und Reichtum errechnet. Passt das? Ist da nicht einer vom rechten Weg abgekommen?

Mancher von Ihnen wird jetzt einwenden, dass die katholische Kirche bis heute ein sehr entspanntes Verhältnis zu Reichtum und Besitz hat. Tatsächlich gehört die grundsätzliche Bejahung von Vermögen und Eigentum, so zeigt es ja auch die Legende um den Heiligen Laurentius, schon früh in der Geschichte der Kirche verortet. Wir müssen aufgrund des Berichts der Apostelgeschichte schon für die Urkirche annehmen, dass es einen gemeinsamen Besitz und ein wenig Vermögen gab. Zweifelsohne gilt für die Kirche von Anfang an: „Reich sein ist keine Sünde.“
Aber andere Zuhörer werden heute einwenden, dass Luca Pacioli zum Promotor des Strebens nach Gewinn und Profit geworden ist und so erst die Voraussetzungen geschaffen hat, dass Menschen dem Gott „Mammon“ vollständig verfallen konnten. Hat er nicht gegen den Willen seines Ordensvaters Franziskus verstoßen und v.a. die Mahnung Jesu verraten, dass man nicht Gott und dem Mammon dienen kann? Kritiker behaupten, dass Christen und die ganze Kirche in ihrer Gelassenheit gegenüber Besitz an einem bestimmten Punkt der Geschichte die Grenzen überschritten haben und seitdem dem Gott Mammon verfallen sind und so den „armen Christus“ verleugnen. Als Beweise werden dann sowohl der Besitz der Weltkirche, Bistümer und einiger Pfarreien an Immobilien, Grundstücken, Kunstwerken, aber auch das persönliche Auftreten und Gebaren von Kirchenvertretern und Christen herangezogen. Für unsere Pfarrei kann ich mit Blick auf  unsere Kontoauszüge sagen, dass wir uns keine Sorgen machen müssen, ob wir schon der Habgier und dem Luxus verfallen sind. Das können wir uns gar nicht leisten. Dennoch hinterfragt die Alternativlosigkeit der Worte Jesu im heutigen Evangelium auch unser persönliches Leben und unsere Einstellung zum Besitz. Wie reich darf ich sein? Wie viel Besitz ist noch zulässig vor Gott ohne dass ich mir vorwerfen muss, vom Glauben abgefallen zu sein? Ich denke, dass es keine Einkommensgrenze gibt, an der man die Entscheidung für Gott oder den Mammon fest machen kann. Es geht im Evangelium erneut um die Frage nach der Einstellung zu Besitz und Vermögen, die auch den „einfachen Menschen“ betrifft. Ich unterstelle, dass die meisten von uns eher so viel besitzen, dass es ein wenig Sicherheit für die Zukunft verspricht, aber wir uns kaum Sorgen machen müssen, ob es an der Zeit ist, ein Yacht zu kaufen, die noch größer ist als die von Jeff Bezos. Das heutige Evangelium aber auch nicht auf die Geldspeicher und Goldschätze von Dagobert Duck, vielmehr erinnert es daran, dass auch Geiz und Habgier den Menschen, der nur wenig besitzt, so verblenden können, dass er sich an den falschen Gott verliert.

Folgt man dem Gleichnis Jesu, das er zu Beginn erzählt, dann ist man vielleicht etwas verwundert, dass er einen solchen Betrüger wie den „ungerechten Verwalter“ so besonders lobt. Die Summen, um die es da geht, sind unvorstellbar: Er erlässt einem Schuldner umgerechnet die Summe von 3.500 Liter Öl, einem anderen den Wert von 5 ½ Tonnen Weizen. Sorgen, dass dadurch der Reichtum seines Herrn geschmälert wird, muss er sich nicht groß machen. Schon in dieser Darstellung wird deutlich, dass die Schuldner auch Großunternehmer sein müssen. Das aber lässt dann auf den sagenhaften Reichtum des Herrn schließen. Der dürfte einen solchen Schaden eher nur dann bemerkt haben, wenn ein anderer den Verwalter bei ihm denunziert. Klarer wird die Intention Jesu mit diesem sonderbaren Gleichnis, wenn man in den griechischen Urtext schaut. Da wird der Gauner nämlich „Verwalter der Ungerechtigkeit“ genannt, nicht „ungerechter Verwalter“. Durch sein Handeln schädigt er ein Wirtschaftssystem, das die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer macht. In dem er vom Reichtum seines Herrn abgibt, verschafft er sich eine gewisse Sicherheit für die Zukunft, aber auch Schuldnern Raum zu Atmen angesichts der drohenden Schuldknechtschaft, die zwangsläufig Folge dieses ungerechten Wirtschaftssystems mit Wucherzinsen und Absprachen zwischen den Großunternehmer ist. Wer jetzt Parallelen zur heutigen Situation und der Entwicklung im Blick auf Energie, Gas und Benzin zieht, hat die Grundzüge dieses Wirtschaftssystems, das auf rücksichtslosen Absprachen und Gewinnsucht von bestimmen Konzernen ruht, wohl aus biblischer Sicht verstanden. Schon der Prophet Amos, selbst Unternehmer, hat wie ein „Whistleblower“ dieses listenreichen Wirtschaften der Superreichen entlarvt und aus biblischer Sicht massiv kritisiert. Weil er das System nicht ändern kann, nutzt es der Verwalter im Evangelium aus und dreht es zu seinen eigenen Gunsten und zum Vorteil der Schuldner um. Er klammert nicht am Haben, sondern kann verschwenderisch sein, wenn es darum geht, Gutes zu tun, das auch ihm noch hilft. Das Evangelium behandelt nicht vorrangig  Wirtschaftsfragen, sondern zeigt die verschwenderische Liebe Gottes, die Jesus Christus den Menschen bringt, aber dennoch dürfen wir auch konkrete Impulse für unser Leben  heraushören. Der Verwalter schlägt die Wirtschaft mit ihren eigenen Waffen und betrügt ein System, das auf Betrug aufgebaut ist. Jesus ruft nicht zum Verbrechen auf, aber seine Haltung macht deutlich, dass ein rein theoretischer Widerspruch des Glaubens in wissenschaftlichen Abhandlungen über ein gerechtes Wirtschaften nur wenig nutzt. Es geht auch darum, die augenblickliche Situation so zu nutzen, dass sie zum Vorteil für alle wird. Christen sollen klug mit den materiellen Dingen umgehen.

Gregor Henckel-Donnersmarck, ehemaliger Abt des Zisterzienserstiftes Heiligkreuz im Wienerwald, hat vor einigen Jahren, ganz in der Tradition von Luca Pacioli, ein kleines Buch vorgelegt mit dem Titel „Reich werden auf die gute Art. Vermögenstipps eines Geistlichen“. Obwohl als Mönch persönlich besitzlos und der Armut verpflichtet, ist Henckel-Donnersmarck sicher ein ausgewiesener Fachmann in dieser Frage. Zum einen war er zwölf Jahre Abt einer Abtei mit vielen Wirtschaftsbetrieben, die ganz in benediktinischer Tradition so zu führen waren, dass sie genügend Gewinn bringen. Zum anderen hatte er eine spannende Vorgeschichte: Bevor er mit 34 Jahren in die Abtei eintrat, hatte er schon eine Karriere in der Privatwirtschaft erfolgreich absolviert. Er war u.a. Manager in der Speditionsfirma Schenker & CO und leitete deren Niederlassung in Spanien. Er war also in seiner Zeit vor dem Kloster leitend in einem weltweit agierenden Konzern tätig und musste dann als Abt erfolgreich wirtschaften, um große Projekte des Klosters wie z.B. klostereigene Hochschule sicher durch die Zeiten zu führen. In seinem Buch geht er von der Grundüberzeugung aus: „Es gibt nicht nur eine schamlose, sondern ebenso eine demutsvolle Art, ein Vermögen, über das ich verfüge, in der Welt wirksam zu machen.“ (Gregor Henckel-Donnersmarck, Reich werden auf die gute Art. Vermögenstipps eines Geistlichen. Herder-Verlag Freiburg i. Br. 2014, S. 13) Das geschieht immer dann, wenn ich nicht wie Dagobert Duck geizig und missgünstig mein Vermögen wegsperre, sondern die Pflicht sehe, die Welt an meinem Vermögen teilhaben zu lassen „und zwar so, wie es ihn nach kluger Prüfung sinnhaft und nützlich erscheint.“ (S. 13)

Er gibt viele konkrete Tipps für eine „gute und demutsvolle Vermögensbildung“. Drei scheinen mir auch für unsere Situation passend und wert, beherzigt zu werden.

„Gebt für euch selbst und euren Nächsten so viel aus, wie ihr tatsächlich braucht. Ihr begeht keine Sünde, in dem ihr eure weltlichen Bedürfnisse in guter Weise befriedigt.“ (S. 170)

Jeder hat auch das Recht, das Leben zu genießen und sich die eine oder andere Freude zu leisten. Wenn ein Mensch durch eigene Arbeit sich ein wenig Wohlstand geschaffen hat, dann ist es keine Sünde. Alles, was der Freude am Leben dient, ist auch zulässig. Geht es aber um reine Statussymbole, z.B. das Segelboot, das ich gar nicht nutze, sondern nur als Foto brauche, um andere zu beeindrucken, dann ist Skepsis angebracht.

„Wenn ihr großes Vermögen besitzt, seid wohltätig, denn zu spenden ist die höchste Form der Vermögenskultur. Wofür ihr spenden sollt, das wisst ihr selbst am besten.“ (S. 168)

Jeder Mensch soll durch seine Leistung und durch das so erworbene „Vermögen“ sein eigenes Leben und seine Zukunft (und die seiner Lieben) sichern können. Darüber hinaus aber darf er die Solidarität mit denen nicht vergessen, die das nicht können. Es ist ein ur-katholischer Grundsatz, der auch Eingang in die Gesetzgebung gefunden hat, dass Eigentum gegenüber dem anderen Menschen verpflichtet. Es gilt immer gut zu prüfen, ob ich nicht auf manches verzichten kann, um so einem Menschen in Not ein wenig mehr Sicherheit im Leben zu ermöglichen.

Und schließlich: „Seid niemals geizig. Geiz entwertet euer Vermögen und macht euch zu Sklaven eures Geldes.“ (S. 182)

Letztlich ist das die konkrete Umsetzung der Mahnung Jesu, nicht dem Gott Mammon zu verfallen. Gott selbst ist verschwenderisch mit seiner Liebe. Sind wir es auch gegenüber unseren Familien und den Menschen in Not. Der Werbeslogan „Geiz ist geil“ stimmt nicht. Geiz macht bitter, ängstlich und einsam. Investieren wir lieber in gute und reiche Beziehungen als in unsere Bankkonten, die uns dann doch nicht in den Himmel bringen. Denn, so formuliert es Abt Gregor:

„Reich mit Gott kann nur ein Mensch werden, der seinen Geiz überwunden hat.“ Amen.                                                                   Sven Johannsen, Lohr

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