Von einer Lichtquelle auf der Empore fällt eine Lichtstrahl auf einen Spiegel im Taufbrunnen, der den Strahl auf das Kreuz über dem Altar lenkt
Liebe Schwestern und Brüder,
Eindrucksvoll, aber kein Zaubertrick. Was wir gerade erleben, folgt dem sog. Reflexionsgesetz der Optik, ist also Grundlage der Physik. Fällt Licht auf einen Gegenstand, dann wird ein Teil absorbiert und ein anderer Teil reflektiert, also abgestrahlt.
Je glatter die Oberfläche ist, desto mehr wird der Lichtstrahl weitergeleitet. Der Winkel für die Strahlung hängt dabei gesetzmäßig vom Winkel des Einfalls ab. Keine Hexenkunst, aber im Einsatz von Licht bei Illumination z.B. unserer Kirche immer sehr wirkungsvoll. Kinder lernen diese Gesetzmäßigkeit schon, die zu den einleuchtendsten Vorgängen unserer Natur gehört. Natürlich will ich Ihnen keine Einführung in die Grundgesetze der Physik geben. Sie ahnen schon durch die Platzierung der Lichtquelle, des Spiegels und des Ziels der Strahlung, dass in diesem äußerst logischen Vorgang ein Schlüssel für die rätselhafte und geheimnisvolle Dimension unseres Glaubens an die Auferstehung zu finden ist. Das Licht kommt heute von oben. Licht von unten kann niemals göttlich sein. Schon am Anfang der Schöpfung setzt Gott sein Ausrufezeichen gegen das Tohuwabohu, das über dem Ur-Chaos liegt, mit dem Befehl „Es werde Licht.“ Wahres Licht kommt von ihm. Auch Menschen nehmen für sich in Anspruch, große Leuchten zu sein und sind stolz auf die Erleuchtung, die sie gefunden haben. Aber ihr Licht stellt andere in der Regel in den Schatten und bringt nicht Durchblick. Viele Gruppen, die mit Sinnangeboten und Erleuchtung werben, treiben eher dunkle Geschäfte, wie es der große Bereich der Sekten zeigt. Das Licht, von dem wir uns Helle erhoffen, umhüllt jeden und trifft in die finstersten Ecken unseres Lebens. Wir haben es am Anfang dieser Feier kraftvoll verkündet: „Lumen Christi“, „Licht Christi“. Mit diesem Ruf beginnt die Feier der Auferstehung. In die dunkle Halle der Kirche wird ein einzelnes Licht getragen, das an einem neuem Feuer in der Dunkelheit der Nacht entzündet wurde und sich nun verbreitet, um den Raum in Helle und Wärme zu tauchen. Im Loblied auf die Osterkerze wird dieser sprechende Ritus auf das Unerklärliche dieser Nacht hingedeutet: „Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und aus der Tiefe als Sieger emporstieg. O unfassbare Liebe des Vaters: Um den Knecht zu erlösen, gabst du den Sohn dahin.“ In der Osternacht trifft der Lichtstrahl, der mit der Menschwerdung Jesu sich auf den Weg zur Welt macht, endgültig den Menschen, der oft genug sich tief gebeugt und gefesselt von Zwängen und Schuld empfindet. Jesus kam als Mensch, um die, die auf der Schattenseite stehen, ins Rampenlicht zu holen und ihnen das Licht der frohen Botschaft zu bringen. Das Licht Christi ist keine x-beliebige Beleuchtungsanlage oder leuchtet still vor sich hin. Es will die Welt und die Menschen erhellen, erleuchten, erwärmen. So wie am Anfang der Schöpfung der Lichtruf Gottes dem Chaos Einhalt gebot, so drängt das Licht des Auferstandenen die Mächte des Todes zurück. Franz Kamphaus hat einmal über Christus, das Licht, gesagt: „Er hebt die Nacht nicht auf, aber er scheut sie nicht, er erleuchtet sie. In seinem Licht können wir auch zu unseren Schatten stehen, zu den Schatten unserer Geschichte und unseres eigenen Lebens.“ (Franz Kamphaus; Zwischen Tag und Nacht S. 52) Das Licht kommt aus der Höhe und erleuchtet uns, die im Schatten des Todes sitzen, bekennen wir jeden Morgen im Benediktus, dem Lobgesang des Zacharias. Wir können als erste österliche Gabe die Welt wieder im Lichte Gottes als gute Schöpfung sehen und nicht als das Trümmerfeld, das der Mensch aus ihr gemacht hat.
Wenn wir die Osterkerze in die Kirche tragen und der Priester verkündet „Lumen Christi“, dann gehört wesentlich die Antwort der Gemeinde zu diesem Moment, die laut bekennt: „Deo gratias“, „Dank sein Gott“. Ich werde einen Zugang zum österlichen Geheimnis nur finden, wenn ich mein Leben mit Gott, dem Schöpfer, in Verbindung bringe. Das Licht Christi trifft in uns gleichsam auf das Wasser der Taufe, in der wir hineingetaucht wurden in die „herrliche Freiheit der Kinder Gottes“, wie es Paulus im Römerbrief sagt (Röm 8,21). So wie die glatte Wasseroberfläche den Einfall der Sonne besser reflektiert als das stürmische Meer, so hängt unsere österliche Strahlkraft sehr von unserer inneren Verbindung zu Gott ab. Das verlangt nicht sture Hörigkeit und Hingabe an Gott in jeder Lebenslage. Das Element der Taufe ist Wasser und wir werden im Lobgebet zur Tauferneuerung hören, dass Wasser zwei Seiten hat: Es ist Leben und Untergang. Mein Lebensboot wird vom Meer des Lebens getragen oder ins Schwanken gebracht, wenn ich bei Stürmen mich falsch verhalte. Österlicher Glaube verklärt nicht alles. Wir gehen auf schwankendem Boden durch unser Leben und sehr schnell gerät alles ins Wanken, aber festgemacht in einem Grundvertrauen in den Gott, der mich wie sein Volk Israel auch durch die Wellen des Roten Meeres führen und befreien will, werde ich mehr Kraft haben, mich gegen den Untergang und die Verzweiflung zu stemmen. Ich wiederhole es immer wieder: Der Glaube bewahrt uns nicht vor Leid, er bewährt sich im Leid. Die Osterbotschaft „Fürchtet euch nicht“ wird den ratlosen Frauen und uns verkündet und soll unseren Herzen die Unruhe nehmen, in diesem Leben Schiffbruch zu erleiden. Das Grundvertrauen in Gott, der mich in der Taufe zu seinem Kind gemacht hat, ist die Oberfläche, die seine Osterbotschaft an mich in die Welt spiegelt.
In unserer Installation wird das Licht aus der Höhe auf das Kreuz gespiegelt. Für mich die greifbare Umsetzung dessen, was wir im Osterlob gesungen haben: „O wahrhaft selige Nacht, die Himmel und Erde versöhnt, die Gott und die Menschen verbindet.“ Noch immer sind wir verwundbare Menschen einer endlichen Welt, aber nicht mehr im Sinne eines unausweichlichen Schicksals, das zwangsläufig in der Katastrophe münden muss, sondern als Tür zum Leben in Fülle. Österliche Hoffnung, die aus dem Licht Christi lebt, das er in die Dunkelheit gebracht hat, strahlt weiter gerade dorthin, wo das Kreuz noch immer sich uns in den Weg stellt.
Zum Osterfest hat die Süddeutsche Zeitung Menschen, die in ihrem Arbeiten und ehrenamtlichen Engagement immer wieder mit dem Sterben konfrontiert werden, über ihre Hoffnungen befragt und die Gespräche mit ihnen veröffentlicht. So kommen eine Fachpflegerin auf einer Palliativstation, ein Oberarzt, der selbst zweimal an einem Tumor erkrankt war, und eine Hebamme, die besonders Eltern betreut, die eine sog. „stille Geburt“ erlebt haben, also deren Kinder noch vor der Geburt sterben, zu Wort. Beeindruckt hat mich die Haltung eines Feuerwehrmannes, der offen bekennt, vom christlichen Glauben geprägt zu sein. Immer wieder muss er Wohnungen öffnen, hinter deren Türen Menschen liegen, die schon längere Zeit tot sind, oder wird zu Einsätzen bei Unfällen mit Todesfolgen auf der Autobahn gerufen. Als Familienvater gibt er offen zu, wie sehr ihn v.a. auch Suizide von Jugendlichen berühren. Er findet Halt in seiner Familie und in der Kameradschaft unter den Feuerwehrleuten, aber eben auch in seinem Glauben. Er steht dazu, dass er nach dem Tod das Paradies erwartet. Diese Vorstellung hilft ihm, die eigene Endlichkeit anzunehmen und mit dem Tod von Menschen in seinem Engagement als Feuerwehrmann umzugehen.
Alle, die in diesem Bericht zu Wort kommen, kennen die Bitterkeit des Todes, aber sie sehen sich nicht wie Don Quijote im Kampf gegen Windmühlen, sondern als Helfer zum Leben, das eine natürliche Grenze hat. Es ist ein Dienst am lebenden Menschen, der aber nicht aus trotziger Verzweiflung vollzogen wird, sondern im österlichen Bewusstsein, dass die Gewissheit des Sterbens uns nicht die Freude am Leben rauben darf, denn dann wäre sie doch die Siegerin geblieben im großen Kampf zwischen Leben und Tod. Der österliche Mensch weiß um das Kreuz, aber es ist für ihn nicht mehr die Schranke, die den Zugang zum wahren Leben verhindert, sondern wird durch die Auferstehung Jesu in ein neues Licht getaucht und zum Ansporn, dem Leben zu dienen.
Liebe Schwestern und Brüder
So rätselhaft es bleibt, was in dieser Nacht im Grab vor den Toren Jerusalems geschehen ist, das Licht des Auferstandenen trifft uns, weil wir auf seinen Tod und auf seine Auferstehung getauft sind, wie es heute in der Lesung heißt. Wir können es eindringen und uns erhellen lassen, damit wir österliche Hoffnung in eine Welt ausstrahlen, die oft noch in den Fessel des Todes gefangen zu sein scheint. Dann werden wir zum Spiegel der frohen und befreienden Botschaft, dass Christus auferstanden ist, „dass er den Menschen erstrahlt im österlichen Licht“ und wir nicht schwarz sehen müssen für unsere Zukunft, weil uns ein Licht aufgegangen ist, das mehr ist als ein schneller Gedanke, der verfliegt, sondern Christus, der lebt und herrscht in Ewigkeit. Amen Sven Johannsen, Pfarrer Lohr