headeroben

Liebe Schwestern und Brüder

vor vielen Jahren hat der österreichische Komponist, Sänger und Kabarettist Werner Kreisler, berühmt für seinen ausgeprägten schwarzen Humor, ein Frühlingslied verfasst (1956).

Er beschreibt darin, wie das warme und schöne Frühlingswetter ihn und seine Freundin hinaus ins Grüne zieht. Ein fröhliches Lied, das die romantisch Stimmung vieler Menschen zu Frühlingsbeginn mitreißend einfängt. In der zweiten Strophe aber will er seine Freundin  gewinnen für eine Idee, bei der einem das Lachen im Hals stecken bleibt:

Schatz, ich hab eine Idee / Schau, die Sonne ist warm und die Lüfte sind lau /

Geh ma' Tauben vergiften im Park“

Wer kommt denn auf so eine verrückte Idee? Wahrscheinlich geht sie Jahr für Jahr vielen Menschen durch den Kopf angesichts der Taubenplagen, die regelmäßig unsere Städte heimsuchen. Tauben stolzieren ungerührt vor Autos umher, verdrecken unsere Plätze und Kleidung, sitzen auf Dächern, Gartenzäunen und Bäumen und stören die mittägliche Ruhe, wühlen in Mülltonnen und überall, wo sich Essensreste finden lassen. Tauben erweisen sich für viele Stadtverwaltungen oft als ein übermächtigen Gegner da. Deswegen wird man sie nicht gleich vergiften, aber jedes Jahr bekommen wir in den Medien unzählige Tipps, wie man effektiv Tauben vertreiben kann. Tauben sind zwiespältige Wesen: In der Kulturgeschichte nehmen sie in Kunst und Literatur eine prominente Stellung ein als Symbol für Frieden und Liebe, in der alltäglichen Wirklichkeit gehören sie zu den nervigsten Bewohnern der Lüfte.

Wie konnte dieses Tier, das man, wenn man nicht gerade Tauben züchtet, am liebsten so schnell wie möglich loswerden will, eine so steile Karriere machen und zur Symbolgestalt der dritten göttlichen Person, zur Vergegenwärtigung des Heiligen Geistes, aufsteigen?

Zunächst gilt einmal zu sagen, dass die Bibel jede Verbindung von Gott und Tiergestalten sehr kritisch sieht. Es war in der Umwelt Israels, v.a. in Ägypten, weit verbreitet, Götter in Tiergestalten darzustellen. Besonders Greifvögel, Adler, Falke und Geier, aber auch große und starke Tiere, Bär, Rind, Löwe, Leopard, Krokodil und Nashorn, standen für göttliche Kraft, Schläue und Stärke. Auch die Schlange als Symbol für Klugheit und Heilkunst war im Orient und anderen Kulturkreisen beliebt als Verkörperung des Göttlichen. Es gehört zum Alleinstellungsmerkmal des Judentums, jede bildliche Darstellung von Gott streng zu unterbinden, v.a. als Tierdarstellungen. Dennoch sind der Bibel Vergleiche zwischen Gott und Tieren nicht fremd. Gott hütet sein Volk wie die Henne ihre Küken und der Adler seine Jungen. Das Bild vom Löwen als Richtertum Gottes und vom Geier / Adler als umfassende Gegenwart Gottes ist in den Psalmen fest etabliert. Immer gilt es zu beachten, wie die Himmelskörper sind auch die Tiere Geschöpfe, aber sie verweisen auf den Schöpfer. Darum können ihre Eigenschaften Attribute Gottes symbolisch darstellen. 

Die Taube nimmt eine besondere Stellung ein. Ihr Aufstieg nimmt seinen Anfang in der Erzählung von der Arche Noah. Nachdem Noah am Ende der Flut zunächst einen Raben losschickt, der sich aber nicht als zuverlässig erweist, sendet er dreimal eine Taube aus, die Bericht erstatten soll, ob das Wasser schon abgeflossen ist und so wieder festes Land betreten werden kann. Beim zweiten Flug bringt die Taube den berühmten Ölzweig mit, der sie zum Symbol für Frieden zwischen Gott, Mensch und der Schöpfung avancieren lässt. Jesus wird seinen Jüngern später die „Arglosigkeit der Tauben“ als Haltung neben der Klugheit der Schlange als einen Grundhaltung ans Herz legen.

Schon früh etabliert sich in Israel die Taubenzucht. Bereits für das sechste Jahren gibt es archäologische Spuren für Taubenschläge. Die Taube wird zum Haustier und sticht unter allen anderen Vögeln heraus, weil sie als einzige unter ihnen als Opfertier im Tempel verwendet werden darf. Ärmere Familien, die sich keine großen Opfertiere leisten konnten, durften für die vorgeschriebenen Rituale Turteltauben oder junge Tauben bringen, wie wir es an Mariä Lichtmess von Maria und Josef hören, die vierzig Tage nach der Geburt zum Tempel kommen, um ihr Reinigungsopfer darzubringen. Es legt sich nahe, dass das „Haustier Taube“ auch eine symbolische Ausschmückung erfuhr. „Weil die antike Naturwissenschaft annahm, dass die Taube keine Gallenblase hat und daher frei von allem Bitteren und Bösen ist, gilt sie als Symbol des Friedens (Friedenstaube), auch der Unschuld, Liebe (vgl.Turteltaube), Treue (vergl. Hochzeitstaube, Auflasstaube) und Mutterschaft.“ (Wikipedia „Taube“) Die Kunst hat sie als Verkörperung der Seele, die nach dem Tod zum Himmel aufsteigt, zum festen Motiv gemacht. Im Hohelied Salomos wird die Turteltaube zur Verkörperung der Geliebten und versinnbildlicht die Augen des geliebten Menschen. Dahinter steckt ein Verweis auf Gott, dessen Bund mit dem Volk standardmäßig durch die Propheten in Liebeslyrik beschrieben wurde. Gott schließt mit seinem Volk seinen Bund, weil er und Israel verliebt sind wie zwei Turteltauben. Seine höchste Bedeutungsfülle kommt dem gefiederten Symboltier natürlich in den Überlieferungen von der Taufe Jesu zu, in denen die Taube bei Matthäus, Markus und Lukas zum Sinnbild für den Heiligen Geist, die dritte göttliche Person, wird. Diese Erzählung war der Anstoß für einen beispiellosen Siegeszug eines Tieres in der Kunst- und Literaturgeschichte. In der Apsis des Petersdoms lässt sie die Glasmalerei Gian Lorenzo Berninis als Träger der päpstlichen Lehrgewalt erstrahlen. Noch heute werden nach dem Tod eines Papstes, so er noch im Amt war,  Sedisvakanz-Münzen geprägt, die statt dem Konterfei des Pontifex die Taube als Symbol des Heiligen Geist zeigen. In fast jeder Darstellung der Trinität ist es die Taube als feststehendes Symbol, das den Heiligen Geist zugeordnet ist.

Natürlich beten wir kein Tier als Gott an. Die Taube ist etwas anderes als das goldenen Kalb, das Israel in der Wüste schafft. Vielmehr kommt in dieser Symbolik etwas zum Ausdruck, das bis heute den jüdisch-christlichen Glauben prägt. Wir können uns kein Bild von Gott machen. Er ist weder ein alter Mann noch ein junger Athlet und schon gar kein Vogel. Dennoch will die unsichtbare, aber wirksame Gegenwart Gottes in der Welt und im Leben eine Verkörperung finden. Gott ist eine verborgene Macht, die eigentlich nicht darstellbar ist, aber wir brauchen eine Bildsprache, die sie uns nicht abstrakt verschleiert, sondern greifbar darstellt. In dieser Spannung steckt unser Glaube: Gott ist größer als wir uns das vorstellen können. Er ist uns immer entzogen, aber er ist auch eine reale Kraft und Macht, die in uns und in der Welt wirkt, die spürbar und erlebbar ist. Das kommt in dem wunderbaren Bild vom Geist Gottes zum Ausdruck, der auf Jesus in Gestalt einer Taube herabkommt. Er wirkt in uns und ist verborgen in unserem Leben erfahrbar. Sein Geheimnis entzieht sich uns nicht. Das ist die Zusage Gottes, der uns seinen Geist geschenkt und uns zu seinen Kindern gemacht hat.

Wenn Sie im nächsten Frühling sich einer Taubenplage erwehren müssen, dann bekämpfen Sie nicht Gott und vertreiben auch nicht den Heiligen Geist. Dennoch ist es gut daran zu denken, dass diese Geschöpfe uns daran erinnern, dass auch sie von Gott geschaffen sind für die Fülle des Lebens. Weil sie Geschöpfe sind, haben sie auch die Kraft, auf eine tiefere Wirklichkeit Gottes zu verweisen.  In diese Richtung deutet der griechische Kirchenvater Johannes Chrysostomus das heutig Evangelium, der schreibt: „Man erinnert sich auch der alten Geschichte, dass dieses Tier nach der Sintflut erschien und einen Olivenzweig trug, um einen allgemeinen Frieden für den Erdkreis anzukündigen. Das alles aber war ein Vorausbild des Kommenden. Denn nun erscheint die Taube und zeigt uns den Befreier, anstelle des Ölzweigs bringt sie den Menschen die Annahme an Kindes statt.“ (Johannes Chrysostomus, zit. in: Magnificat - Das Stundenbuch Januar 2023) Das gilt nicht allein für den Menschen. Wir sind Mitgeschöpfe und die Tiere, die zu Weihnachten gehören, Taube, aber auch Ochs, Esel und Schafe,  zeigen uns, dass die ganze Schöpfung mit uns gerufen ist, die herrliche Freiheit der Kinder Gottes zu erfahren, wie es Paulus im achten Kapitel des Römerbriefs schreibt. Die ganze Schöpfung wird zur Fülle des Lebens berufen. Ob es uns gefällt oder nicht, auch auf den himmlischen Plätzen werden Tauben sein. Amen.                     Sven Johannsen, Lohr

(vgl. auch „Simone und Claudia Paganini; Die Biester der Bibel; Gütersloh 2022)

2023_Taube.pdf

­