Predigt Ostermontag „Im neuen Licht sehen“

Ostermontag 2024

Nicht „weg-ostern“, sondern ins österliche Licht rücken

Liebe Schwestern und Brüder

Ostern ist gerettet“, so die frohe Botschaft unseres Verkehrsminister in der vergangenen Woche nachdem sowohl zwischen der GDL und der Deutschen Bahn als auch zwischen der Lufthansa und der Gewerkschaft Verdi Einigungen erzielt wurden und so die drohenden Streiks im Bahn- und Flugverkehr über die Osterfeiertage abgewendet wurden. Pünktlich zum Osterfest rollen alle Züge in gewohnter Regelmäßigkeit und erwartbarer Verspätung. Flugzeuge heben wieder von allen Startbahnen ab und bringen Touristen in alle Teile der Welt, weil Ostern zuhause so langweilig ist. Es ist kaum vorstellbar, welches Chaos auf den Autobahnen entstanden wäre, wenn dieser österliche Friede nicht zustande gekommen wäre. Viele hätten ihre Eltern, Verwandten und Freunde nicht besuchen können und müssten ein ruhiges Ostern zuhause verbringen. Ostern 2024 schien noch vor einer Woche rettungslos verloren. Jetzt aber läuft Ostern wie gewohnt und alle glücklich. Ganz so einfach ist es nicht. Der Verkehrsminister hat schon angekündigt, dass Bahnfahren jetzt teurer wird, die Lufthansa hat wieder einen Schaden in Millionenhöhe zu verbuchen und man ahnt, wie er behoben werden soll. Generell hat das Image der Zuverlässigkeit deutscher Verkehrsunternehmen in den letzten Monaten durch andauernde Streiks große Einbußen erfahren. Einfach zurückzukehren an den Ausgangspunkt oder fortsetzen, wo man aufgehört hat, geht auch nach der verkehrstechnischen Rettung von Ostern nicht.

Wer rettet uns Ostern? Nicht Herr Weselsky oder Verkehrsminister Wissing? Die Frage beschäftigt heute zwei Menschen, die uns immer wieder tief im Herzen mit ihrer Sehnsucht nach Gott berühren: Kleopas und der zweite Jünger auf dem Weg nach Emmaus. Es geht um das Ostern, das durch die Kreuzigung Jesu massiv beschädigt ist. Diesen Bruch erfahren die Jünger auf dem Weg nach Emmaus. Sie sind nicht ahnungslos. Sie haben gehört, was die Frauen erzählt haben. Aber sie können nicht einfach an dem Punkt vor dem Karfreitag anknüpfen. Ihr Vertrauen in Gott ist beeinträchtigt durch die Kreuzigung und das eigene Scheitern im Angesicht der Ereignisse. Selbst können sie Ostern nicht retten. Deshalb laufen sie davon. Es macht ja keinen Sinn. Sie haben alles verloren, wofür sie jetzt drei Jahre gelebt und alles aufgegeben haben. Auch wenn sie in das Heimatdorf zurückkehren, es wird niemals so sein wie zuvor. Ostern retten kann nur Jesus selbst. Er läuft nach, läuft mit, läuft voraus. Die Jünger können erkennen, weil er sich zu erkennen gibt. Alles wieder gut? Nein. Sie sehen ihn und dann ist er ihren Augen entzogen. Auch jetzt ist nichts mehr wie zuvor. Es kann nicht ungeschehen gemacht werden, was sie so tief erschüttert hat. Die Wunden des Karfreitags sind nicht nur am Körper Jesu zu sehen, sondern haben sich auch ins Herz der Jünger eingebrannt. Sie müssen mit den Narben leben und immer wieder neu eine Rechtfertigung für das Kreuz suchen. V.a. aber müssen sie ihr Leben ganz neu ausrichten. So wie es war, wird es niemals mehr sein.

Heribert Prantl, der langjährige Chefredakteur der SZ, hat vor zwei Jahren den Begriff „weg-ostern“ geprägt. (vgl. Andreas Batlogg „Auferstehung“ in CiG 24.4.2022) Er kommentierte damals die Rückkehr von Kardinal Woelki ins Amt des Erzbischof von Köln zu Beginn der Fastenzeit 2022. Er meinte damals, dass man nicht wegostern, also ungeschehen machen können, was vorgefallen ist und welche Schatten sich auf die Person und das Amt gelegt haben. Man kann nicht „wegostern“, was geschehen ist. Ein treffender Gedanke. Das Fest der Auferstehung ist nicht einfach Rückkehr ins Leben, Wiederbelebung, und dann Weitermachen wie zuvor. Mit Ostern wird der Karfreitag nicht „weggeostert“, also ungeschehen gemacht. Dafür stehen die Wundmale, die Jesus behalten wird. Er wird in ein neues Licht gerückt, das erklärt und verstehen lässt, v.a. das hilft, mit dem Kreuz zu leben. Ostern streicht das Kreuz nicht aus der Wirklichkeit, sondern lässt es durch Nachdenken und Verstehen zum „Baum des Lebens werden“, zum „Heilig Kreuz, du Baum der Treue“, wie wir es am Karfreitag bedacht haben. Die Narben bleiben, aber sie sind keine offenen Wunden mehr, sondern leuchten österlich, d.h. gedeutet und sinnvoll.

In diesem Sinn wird Ostern in unserem Alltag erfahrbar. Wir würden gerne so viele falsche Entscheidungen ungeschehen machen, missverständliche Worte vergessen lassen oder fehlerhaftes Handeln auf den Nullpunkt zurücksetzen. Aber es geht nicht. Unser Reden und Handeln hat Konsequenzen. Jede Tat zieht Folgen und es nützt nichts zu glauben, dass ich sie ungeschehen machen kann. Wir können nicht wegostern durch ein nettes Lächeln, durch eine Entschuldigung oder durch eine gute Tat. So lassen wir Wunden heilen, die Narben aber bleiben. Enttäuschung lässt sich überwinden, aber nicht vergessen. Wir können einander vergeben, aber niemals einfach dort anfangen, wo alles gut war. Die Enttäuschung bleibt, begleitet uns und verändert uns, aber sie muss uns nicht verbittern und trennen.

Ostern täuscht uns nicht eine heile Welt vor, die sich immer wieder regenerieren lässt, weder im persönlichen Bereich, noch mit Blick auf unser Handeln in der Welt. Nichts wird weggeostert, aber alles ins österliche Licht gerückt, in dem der Karfreitag nicht mehr endgültig erscheint.

Das ist Ostern: Nichts ist ungeschehen, aber auch nichts ist aussichtslos und unrettbar. Es ist Christus selbst, der das Unmögliche möglich gemacht hat und uns zeigt, dass der Glaube an ihn, uns hilft, alles zu wagen: Vergebung, Versöhnung, Neuanfang und v.a. Hoffnung.

Österliches Leben will nicht wegostern, was nicht ungeschehen zu machen ist, sondern auch das Bedrängende und Aussichtslose ins österliche Licht rücken, das uns sagt, dass nicht einmal das Grab eine Sackgasse war. Der, der die Pforten des Totenreiches aufgerissen hat, er macht uns Mut, unsere Herzen brennen zu lassen und Hoffnung zu haben, dass Neuanfänge immer möglich sind. Amen. (Sven Johannsen, Pfr.)

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