Silbernes Weihejubiläum – „Nicht Herren eures Glaubens, sondern Diener euerer Freude“

Am vergangenen Sonntag konnte Pfarrer Sven Johannsen den 25. Jahrestag seiner Priesterweihe begehen. Eine große Gottesdienstgemeinde mit vielen Ministranten und ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begingen diesen Festtag. Der Gottesdienst war vielfältig gestaltet. Die Kantorei St. Michael trug Werke von Menschick und Mendelssohn-Bartholdy bei, die Kantoren Alfons Meusert und Tyron Kretzschmar erfüllten den Wunsch des Jubilars und brachten zwei Orgelwerke Bach sein „Schafe können sicher weiden“ und „Jesus bleibet meine Freunde“ die Band Ichthys zog die Gemeinde mit neuem geistlichen Liedgut. In einer wunderbaren Predigt, die mehrmals von Applaus unterbrochen wurde, legte Pfarrer Jan Kölbel das Evangelium vom 2. Fastensonntag aus und deutete es auf die Situation der Kirche und den Lebenslauf von Pfarrer Johannsen. Im Anschluss lud der PGR zu einem fröhlichen Begegnung ins Pfarrheim

Hier die Predigt von Pfarrer Jan Kölbel (Miltenberg / Bürgstadt)

Weihejubiläum Pfr. Johannsen Fotos: Nina Pearson und Johannes Weismantel

Predigt Silbernes Priesterjubiläum Pfarrer Sven Johannsen,

2. Fastensonntag, 25.02.2024, St. Michael, Lohr a. M.

Ich weiß gar nicht, warum keiner als Pfarrer in die Kleinstädte will. Da hat man wenigstens die Sicherheit, dass man nie eine weitere Pfarrei dazu bekommt.“

Diese Aussage traf der damalige Personalreferent des Bistums Würzburg Ende der 90er Jahre. Und wie sieht es heute aus, gut 25 Jahre später? Wenn ich alle Gemeinden aufzählen wollte, für die Du, Sven, verantwortlich bist, dann würde es eine sehr lange Predigt werden. Kein Pfarrer ist heutzutage nur noch für eine Gemeinde zuständig, auch nicht die Pfarrer von Kleinstädten.

Die Aussage des ehemaligen Personalreferenten zeigt uns, wie kurzlebig Gewissheiten sind und welch geringe Halbwertszeit Zukunftsprognosen haben. Das ist ja in allen Bereichen so. Ich denke da nur an die sog. „Riester-Rente“, die sicher viele von uns abgeschlossen haben und die uns noch vor Jahren als Allheilmittel gegen die Altersarmut angepriesen wurde. Anderes Beispiel: Hätten Sie sich vor 10 Jahren träumen lassen, dass ein Bundesverteidigungsminister einmal darüber schwadroniert, dass die deutschen Bevölkerung „kriegstüchtig“ gemacht werden muss?

Wir leben in einer Zeit massiver Umbrüche und davon ist auch die Kirche betroffen – und mit ihr der Dienst des Priesters. Als wir in den 90er Jahren im Priesterseminar waren, da war uns schon klar, dass die Lage der Kirche nicht leichter werden würde. Aber dass sich die Kirche in Deutschland in eine dermaßen desolate Situation manövrieren würde, das konnten wir nicht ahnen. Und das war vielleicht auch gut so. Sonst wären wir wahrscheinlich schreiend weggerannt.

Im heutigen Evangelium sagt Petrus zu Jesus: „Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen.“ Petrus ist ganz fasziniert von der Verklärung Jesu, von der Erscheinung des Mose und des Elija. Er möchte den Augenblick festhalten, gleichsam einfrieren, so wie bei Goethes Faust: „Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch, du bist so schön?“. Aber Jesus lässt das nicht zu. Er geht mit seinen Freunden vom Berg wieder herunter. Und unten in der Ebene wartet der Kreuzweg. So wie Petrus, Jakobus und Johannes damals mutet Jesus auch uns immer wieder neue Aufbrüche zu. Aufbrüche, die oft aus den Umbrüchen unserer Zeit resultieren. Das geht heute ja fast allen so. In einer immer schnelllebigeren Zeit müssen wir uns ständig neu auf andere Umstände und Rahmenbedingungen einstellen. Das gilt für die Arbeitswelt, für die Schule, für die Familien und die Vereine. Auch in der Politik und der Gesellschaft überhaupt ist vieles im Umbruch, ja in Gärung begriffen und alte Sicherheiten brechen immer schneller weg. Und auch hier ist die Kirche ein Spiegel der Gesellschaft. Gerade die letzten 15 Jahre haben die Kirche ziemlich durcheinander gerüttelt. Die Kirche ist heute nicht mehr dieselbe wie noch 2008. Mir kommt in letzter Zeit immer öfter ein Satz aus dem 11. Psalm in den Sinn: „Gerät alles ins Wanken, was kann da der Gerechte noch tun?“ Manchmal nicht mehr als der „Fels in der Brandung“ zu sein, der den Menschen ein Gefühl von Stabilität und Verlässlichkeit gibt. Die Kirche als solche ist dieser Fels nicht mehr. Verläßlichkeit und Vertrauen verbinden wir eher nicht mehr mit der Kirche. Das liegt nicht nur an den Skandalen. In den letzten Jahren gab es so viele Um- und Neustrukturierungen, so viele Positions- und Strategiepapiere, dass der Ausnahmezustand mittlerweile der Normalzustand ist und weder Haupt- noch Ehrenamtliche überhaupt noch durchblicken. Die Halbwertszeit von solchen pastoralen Konzepten ist dabei eher kurz. Nein, in der Kirche kommt man derzeit wahrlich nicht groß in die Versuchung „Hütten zu bauen“. Es macht auch nicht viel Sinn, eine Hütte zu bauen, wenn ständig das Fundament umgegraben wird. Gerade auch uns als Pfarrern – wir sind ja sozusagen die „Frontoffiziere“ der Kirche – wird da einiges zugemutet. Dabei habe ich nicht den Eindruck, dass aus den diversen „Hauptquartieren“ viel Unterstützung kommt. Im Gegenteil! Vom Papst bis hin zu vielen Bischöfen oder Vertreter*innen gewisser Reformprozesse gehört „Klerus-Bashing“ ja mittlerweile zum guten Ton, der in diesem Fall oft eher an den Ton von Stammtischen erinnert.

Wenn dann noch kluge Sendboten des Ordinariates meinen, uns mit ihren Einsichten die Welt erklären zu müssen. dann kann selbst im Herzen des sanftmütigsten Pfarrers oder des geduldigsten Kirchenpflegers eine leichte Gereiztheit aufkommen. Lieber Sven, Du bist ja bekannt dafür, dass Du Deinen Unmut in solchen Fällen nicht in Dich hineinfrisst, sondern den Verantwortlichen in Würzburg gerne mal eine wertschätzende, aber deutliche Rückmeldung gibst. Meistens mehr deutlich als wertschätzend.

Rabbi, wir wollen drei Hütten bauen“.

Unabhängig von den Umbrüchen und Zumutungen unserer Zeit ist es uns Priestern grundsätzlich nicht in die Wiege – oder soll ich sagen: auf den Weiheteppich? – gelegt, „Hütten zu bauen“, also uns auf Dauer nieder zu lassen. Das ist auch der tiefste Sinn des Zölibates: verfügbar zu sein, flexibel, offen für Aufbrüche. Das ist wohlgemerkt ein Ideal, hinter dem viele zurückbleiben. Es gibt Mitbrüder, die scheuen die Veränderung und bleiben ihr ganzes Priesterleben an ein und derselben Stelle. Menschlich durchaus verständlich. Es gibt aber auch Priester, die zwar öfter mal die Stelle wechseln, sich innerlich aber nicht weiter entwickeln, die gleichsam geistige und geistliche Hütten bauen und theologisch und spirituell irgendwann stehen geblieben sind. All das kann man Dir, Sven, gewiss nicht vorwerfen. Du hast Dich den Herausforderungen der Umbrüche während der letzten 25 Jahre immer offen gestellt und das Beste daraus gemacht. Du hast Deine Gemeinden, sei es in der Rhön oder im Spessart, wie ein guter Steuermann durch die Stürme der Zeit gelenkt, hast immer für eine gute Mannschaft aus Haupt- und Ehrenamtlichen gesorgt und gerade auch die kleineren Gemeinden immer im Blick gehabt. Das erfordert viel Fleiß und Durchhaltevermögen, die Du beide in hohem Maße besitzt. Dabei ist Dir sehr wichtig, dass Du Deinen pastoralen Dienst theologisch reflektierst und verantwortest. Das schlägt sich auch in Deinen brillianten Predigten nieder, für die Du weit über die Grenzen Deines eigentlichen Wirkungsgebietes hinaus sehr geschätzt wirst.

Deine Bereitschaft zum immer neuem Aufbruch zeigst Du auch in einem anderen Bereich, der Dir sehr am Herzen liegt. Ich meine das Reisen. Du verreist sehr gerne, sei es privat oder mit der Gemeinde. Und es sind nicht nur die klassischen kirchlichen Reiseziele, es darf auch mal der Kaukasus oder Äthiopien sein. Dass Du der geborene Reiseleiter bist, durfte ich in den mittlerweile 27 gemeinsamen Urlauben auch oft genug selbst erleben. In diese Reiselust spielt auch das Bewusstsein mit hinein, dass wir als Priester eben nicht nur für unsere Gemeinden oder unser Bistum geweiht sind, sondern für die ganze Kirche. Die Begegnung mit der Weltkirche kann auch heilsam sein. Ich merke dann, dass andere Kirchen froh wären, wenn sie unsere deutschen Probleme haben und dass es gar keinen Grund gibt, warum wir diese Christen mit unseren Konzepten „beglücken“ sollten.

Nach nunmehr über 15 Jahren wirst Du demnächst Deine Hütte hier in Lohr abbrechen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, nach vielen Jahren die Stelle zu wechseln. Man ist mit seinen Gemeinden zusammengewachsen und hat, wie Papst Franziskus so schön formuliert „den Geruch der Schafe“ angenommen. Es sind Freundschaften entstanden und mit vielen Häusern verbindet man eine Erinnerung – oft schöne und frohe, aber manchmal auch traurige. Auch Deine Gemeinden werden Dich nur sehr ungern ziehen lassen. Aber es ist gut, nach einer gewissen Zeit zu wechseln. Das zeigt, dass es nicht „unsere“ Gemeinden sind, sondern die des Herrn. Das kommt ja auch in Deinem Primizspruch aus dem 1. Korintherbrief zum Ausdruck: „Wir sind nicht Herren über euren Glauben, sondern wir sind Mitarbeiter eurer Freude.“Und es ist richtig, dann zu gehen, wenn alles gut läuft und man ein geordnetes Haus übergeben kann. Freilich werden manche rätseln, warum es Dich ausgerechnet nach Würzburg zieht, mitten hinein in die „Höhle des Löwen“, oder für Dich als eingefleischten „Herr der Ringe“-Fan formuliert: ins „Land Mordor, wo die Schatten drohn“.

Rabbi, wir wollen drei Hütten bauen.“

Nein, Hütten durften die Apostel auf dem Berg Tabor nicht bauen. Aber sie waren bei der Verklärung des Herrn dabei und haben lange von diesem Erlebnis gezehrt. Solche „Tabor-Erlebnisse“ brauchen wir immer wieder. Momente, in denen alles passt und wir Erfüllung, Frieden und Glück erfahren. Es gibt sie auch im Leben eines Priesters zum Glück reichlich: wenn wir Kinder taufen, wenn wir erleben, dass doch bei einigen Kommunionkindern und Firmlingen was hängen bleibt, wenn Menschen unseren Rat und unsere Hilfe suchen, wenn wir mit unseren Gemeinden feiern, wenn uns alte Menschen das Zeugnis einen erfüllten und gläubigen Lebens schenken, wenn ein Projekt zu einem guten Abschluss kommt, wenn wir Brautpaare segnen, wenn wir Trauernden Trost und Hoffnung schenken. Gerade die Trauerpastoral ist ein ganz wichtiger Teil unseres Dienstes. Und bei jeder Beisetzung werden wir alle daran erinnert, dass wir hier auf Erden keine allzu stabilen Hütten bauen sollten. In der Liturgie der Beerdigung hat die Mahnung des Paulus aus seinem Brief an die Philipper einen festen Platz: „Unsere wahre Heimat ist im Himmel.“ Letztlich läuft all unser Bemühen ins Leere, wenn es nicht auf unsere wahre Heimat im Himmel ausgerichtet ist. Wir Priester dürfen mithelfen, dass die Kirche für die Menschen Heimat ist. Ein Ort des Glaubens, der Geborgenheit und der Beständigkeit in einer aus den Fugen geratenen Zeit. Das ist sehr schön. Aber mindestens genauso wichtig ist es, dass wir die Sehnsucht nach der Heimat im Himmel wach halten. Unser Leben und unsere Verkündigung brauchen den Geschmack des Himmels. Ohne den sind alle unsere pastoralen Planungen und Bemühungen letztlich nur blanker Aktionismus.

Rabbi, wir wollen drei Hütten bauen.“

Nein, das Bauen von Hütten ist nicht unsere Kernaufgabe. Einmal wird uns der Herr ein „ewiges Haus im Himmel“ bauen. Aber noch sind wir unterwegs. Da braucht es keine Hütte, sondern allenfalls ein Zelt. Sehr schön ausgedrückt finde ich diesen Gedanken in einem Gedicht von Hans Graf von Lehndorff, das als Lied vertont im Diözesananhang des alten „Gotteslobs“ war:

(Herr,) Komm in unser festes Haus,

der du nackt und ungeborgen.

Mach ein leichtes Zelt daraus,

das uns deckt kaum bis zum Morgen.

Denn wer sicher wohnt, vergisst,

dass er auf dem Weg noch ist.“

Amen.

Predigt Priesterjubiläum Sven