Predigt 3. Fastensonntag „Das Haus des Vaters“

Liebe Schwestern und Brüder

33.000 Euro- auf diese Summe beziffert Dompropst Guido Assmann die täglichen Kosten für den Unterhalt des Kölner Doms. Jedes Jahr werden die rund 12 Millionen Euro v.a. durch Kirchensteuerzuweisungen, privaten Spenden und Fördermittel z.B. des Zentraldombauvereins aufgebracht. (Domradio v. 23.6.2021) Nur so ist es möglich, dass man den Kölner Dom kostenlos besuchen kann.

Freier Eintritt in Kirchen ist in Deutschland die Regel, aber es gibt Ausnahmen: im Berliner Dom muss man 10 Euro für ein Ticket investieren, während man die Frauenkirche in Dresden ebenfalls noch frei betreten kann. Dank der Kirchensteuer können wir in unserem Land Kirchen kostenlos besuchen und müssen allenfalls für Turmbesteigungen oder den Besuch von besonderen Schatzkammern bezahlen. Da macht Deutschland zumindest in Westeuropa zur Ausnahme. In vielen anderen Ländern ist es üblich, ein Ticket zu lösen, um einige der bedeutendsten Kirchen des Kontinents zu besuchen. Im Salzburger Dom wird eine Erhaltungsgebühr in Höhe von 5,-Euro verlangt, um den sog. „Overtourism“ zu stoppen. In Italien sind zwar alle Kirche, die dem Vatikan unterstehen, frei von Gebühren, aber für den Besuch des Mailänder Doms, einer der schönsten gotischen Kathedralen der Welt, muss man schon ein Eintrittsgeld von 14 Euro aufbringen. Dennoch strömen jeden Tag rund 10.000 Touristen in den Dom. Die Summen sind im Vergleich zu Großbritannien noch „Peanuts“. Wenn Sie die bedeutenden Kirchen der Insel besuchen wollen, dann müssen Sie schon tiefer in den Geldbeutel greifen. Für den Eintritt in Westminster Abbey, die zentrale Kirche der britischen Royals, will man im Augenblick 29 Pfund, also rund 32 Euro, für die Bischofskirche St. Paul reichen schon 25 Pfund und die wichtigste Kirche der Insel, die Kathedrale von Canterbury, kann man für 17 Pfund besuchen. Natürlich ist auf der Insel alles teurer als bei uns, aber die Preise kann man durchaus „stolz“ nennen, gerade wenn man bedenkt, dass staatliche Museen kostenfrei sind. Natürlich ist das Motiv nicht die Raffgier der anglikanischen Kirche, sondern die Tatsache, dass die britische Regierung Kirchen grundsätzlich nicht unterstützt. Auch von den Königsfamilie ist nicht einmal für ihre eigene Grablege, die St. George’s Chapel in Windsor, ein Beitrag zu erwarten. Die Kirchengemeinden müssen also alle Kosten für ihre Gebäude selbst tragen. Deshalb werden Sie auch in der kleinsten Dorfkirche freundlich aber konsequent um eine Spende gebeten, finden in größeren Kirchen im Innenraum Shops und Cafeterien oder werden um eine Mitgliedschaft im Freundeskreis der Kirche geworben.

Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle“ – Die Kritik Jesu an den Zuständen im Tempel von Jerusalem vor 2000 Jahren scheint auch für unseren Umgang mit Gotteshäusern virulent zu sein. Ohne Geld und ohne auffälliges Sponsoring werden wir Kirchenräume nur aufgeben können. Ich erinnere an die anglikanische Kathedrale von Liverpool: In der Mitte feiert man Gottesdienst. Um die Vierung herum gruppieren sich ein großer Souvenir-Shop mit Erinnerungen an den Besuch der Insel, ein Buchladen und ein weitläufiges Bistro. Die Orte, an denen Geld umgesetzt wird, nehmen deutlich mehr Raum ein als der Platz für den Gottesdienst, zumindest unter der Woche, aber das Zentrum bleibt den Gläubigen reserviert. Ohne diese Finanzquellen würde das Gebäude zerfallen und wichtige Reparaturen nicht erledigt werden, so dass auf absehbare Zeit auch keine Gottesdienste mehr gefeiert werden könnten. Ist das ein Deal mit dem Teufel?

Schauen wir nochmals auf das Evangelium. Es regt sich schnell der Eindruck, dass die Zustände am Tempel von Jerusalem ziemlich verkommen gewesen sein müssen. Das stimmt so nicht. Das heutige Evangelium führt uns in den Tempel, den Herodes der Große in einer unglaublich kurzen Bauzeit zwischen 21 und 19 v. Chr. errichten ließ. Genau stehen wir mit dem Evangelisten im sog. Vorhof der Heiden, dem äußersten Bezirk des Tempelareals, einem riesigen Platz, den auch Nichtjuden betreten konnten. Erst danach folgen die weiteren Vorhöfe für Frauen, Männer, Priester und schließlich der Bereich des Tempels mit dem Allerheiligsten selbst. Wir sind also im äußersten Bezirk des zentralen Heiligtums Israel. Mit dem Umbau durch Herodes wurde der Tempel in Jerusalem zu einem der größten Tempel und einem der beliebtesten Wallfahrtsorten im römischen Reich. Finanziert wurde er durch Spenden und v.a. durch den Verkauf von Opfertieren und dem Wechsel von Geld im Vorhof der Heiden. Im Bereich, in dem wir uns mit dem Evangelisten aufhalten, ist Kommerz und Bankenwesen eine auffällige Erscheinung. Das ändert sich aber mit Betreten der nächsten Vorhöfen. Man kann das durchaus mit den Souvenirshops rund um große Kirchen in unserer Zeit vergleichen.

Warum aber regt Jesus sich so massiv auf, dass er sogar gewalttätig wird gegen Mensch und Tier?

Die Kritik an den Zuständen im Tempel ist schon früh Teil der biblischen Überlieferung. In der Regel wird nicht der Tempel an sich in Frage gestellt, aber das Treiben am heiligen Ort und das Verhalten der Priester angeprangert. Die Verkündigung der Propheten durchzieht diese Polemik als roter Faden. In seinem Eintreten für die Reinheit des Tempels stellt Jesus also nicht grundsätzlich den Ort in Abrede, auch wenn wir aus anderen Texten wissen, dass er den Glauben nicht an ein Heiligtum bindet, sondern ein falsches Verhalten und Denken.
Den Schlüssel gibt die Einleitung des Evangeliums mit dem Hinweis auf das Datum der Tempelaktion: „Das Paschahfest der Juden war nahe…“. Das große Frühlingsfest Israels ist das gefeierte Bekenntnis, das als Prolog die Verkündigung der zehn Gebote eröffnet: „Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ Aus der Grunderfahrung der Befreiung soll der gläubige Mensch niemals zurückfallen in neue Sklavereien und Abhängigkeiten. Paschah ist das Grunddatum des Volkes Israel, denn es hat aus Sklaven freie Menschen gemacht. Wenn Jesus so in Eifer gerät, dann nicht nur, weil ihm das Verhalten des einen oder anderen Händlers missfällt, sondern weil er eine grundsätzlich Gefahr sieht: Die Sorge um das Geld bindet alle Aufmerksamkeit und lenkt von der eigentlichen Bestimmung des Ortes ab. Es ist das Haus, in dem der Mensch Gott seinem Vater begegnen darf. Kein Tempel und keine Kirche sind der goldene Käfig, in dem Menschen Gott einsperren könnten. Im Gegenteil sind Gotteshäuser wesentlich von der Offenheit geprägt, in der Begegnung zwischen Mensch und Gott ermöglicht wird. Alles, was diesen Zugang verstellt, auch die kleinliche Sorge um materielle Dinge. sind Jesus ein Dorn im Auge. Der Tempel soll dem Menschen helfen, seine Freiheit als Kind Gottes zu festigen. Weder ist der Tempel die Großbank Israels, noch das Museum uralter Erinnerungen. Er ist ein lebendiger Ort der Freiheit und des Geistes, der sich zu Gott erhebt.

Diese Bewegung charakterisiert auch das Wesen unserer Gotteshäuser.

Manchmal genieße ich es, in einer Kirche zu sitzen oder zu knien und ganz allein mit Gott zu sein. Aber mitunter habe ich die Sorge, dass unsere Kirchen zu oft leer sind. Man kann auf Touristen schimpfen. In der Stadtpfarrkirche erleben wir manchmal Verhalten, das nur Kopfschütteln erregt, aber der Charakter einer Kirche verändert sich, wenn Menschen in ihr sind. Sie ist kein Mausoleum, sondern ein „Pascha-Raum“, ein Raum des Übergangs aus der alltäglichen Welt mit seinen Sorgen zur Begegnung mit Gott. Kirchen sind nicht Sehenswürdigkeiten aus Stein, die niemals verändert werden dürfen, sondern österliche Orte, in der der Mensch selbst zum neuen Leben aus Christus findet. Es sind Orte des Übergangs von der Knechtschaft der Sorgen und der Angst zur Freiheit der Kinder Gottes. Dafür ist mehr notwendig als die Achtsamkeit, dass alles sauber und ordentlich ist, der Raum muss leben und mit Leben gefüllt sein, sonst fragen die Menschen zurecht: „Wohnt Gott nicht mehr hier?“

Man kann den Trend von Bistros in britischen Kirchen kritisieren, aber zumindest ereignet sich da mehr Leben als in manchen unseren Kirchen. In der Kathedrale von Chester, gab es glücklicherweise mal kein Café, sondern einen Platz zur Kinderbetreuung. In vielen Kirchen der Insel, zumeist natürlich in den Städten, gibt es ehrenamtliche Besucherdienste, die Menschen, die in die Kirche kommen, in Empfang nehmen, Auskunft geben über den Raum oder einfach sich mit ihnen unterhalten. Sie drängen sich nicht auf, aber sie sind da und lassen den Raum nicht leer und ungenutzt sein. Ich finde das als Besucher angenehm. Ich komme nicht an einen geheimen Ort, verlassen von allen Menschen, sondern treffe auf die Menschen, die hier ihre geistige Heimat haben. In der katholischen Kathedrale von Liverpool erzählte uns ein älterer Herr wie er von Irland kam und sich aktiv einsetzt für seine Gemeinde. Es sind auch Glaubenszeugnisse, die dort geschehen. Natürlich sollen Gotteshäuser auch Orte der Ruhe und der Besinnung sein, damit Menschen zu sich und Gott finden, aber sie sollen nicht leblose und verlassene Räume sein, in denen ich mich unwohl fühle, weil ich den Eindruck habe, dass sich niemand mehr für dieses Haus Gottes interessiert. Unsere Kirchen sind auch Orte des Lebens vor und nach den Gottesdiensten und ich halte es für wichtig, dass wir immer wieder den Weg in sie finden, Besuchern begegnen, mit ihnen ins Gespräch kommen und ihnen von unserer geistigen Heimat erzählen. Wir müssen unsere Kirchen nicht mit Shops und Bistros füllen, aber mehr Leben dürfen sie schon ausstrahlen, um Menschen das Gefühl zu vermitteln, dass sie bei Gott willkommen sind. Ich weiß, dass gerade viele ältere Menschen unserer Gemeinden einfach mal in der Kirche vorbeischauen. Sicher trifft man dann auch immer wieder auf Besucher. Sprechen Sie sie an und zeigen sie ihnen, dass wir hier zuhause sind. Es ist nämlich das Haus des Vaters. Amen. (Sven Johannsen, Pfarrer)

2024 Eintritt für Kirchen