Predigt Erscheinung des Herrn 2024 „Wir haben seinen Stern gesehen! Welchen Stern?“

Wir haben seinen Stern gesehen!“ Statt sich von panischer Angst um die eigene Macht und religiösem Fanatismus blenden zu lassen, hätten Herodes und seine Berater nach diesem Vorsprechen der Weisen aus dem Morgenland besser ein paar vernünftige Nachfragen gestellt.

Wie habt ihr ihn gesehen? Mit bloßem Auge oder mit dem James-Webb-Teleskop? War es wirklich ein Stern oder nur Kometendreck, der beim Eintritt in die Erdatmosphäre kurz als Sternschnuppe leuchtet, oder gar nur ein reflektierender Planet?

Und wenn es ein Stern war – welchen Radius hatte er ? Welche Leuchtkraft? Welche Masse? Auf welcher Position befindet er sich auf dem Hertzsprung- Russelt-Diagramm? Schließlich zu welcher Klasse gehört der Stern? Ein Hyperriese? Ein Überriese? Ein heller Riese? Ein Riese? oder nur ein Unterriese oder gar ein weißer Zwerg?

Mit der Botschaft „Wir haben seinen Stern gesehen“ könnten die Weisen heute keinen Astronomen mehr auch nur ein interessiertes Aufblicken herauskitzeln. Da braucht es schon ein paar Informationen mehr.

Keine Angst, ich werde Ihnen jetzt keinen Vortrag darüber halten, was Sterne sind und wir man sie klassifiziert. Da mache ich mich nur lächerlich und verweise deshalb auf das sehr kluge Buch von Harald Lesch und Jörn Müller „Weißt du wie viel Sterne stehen“ . Aber eine Information der heutigen Astrophysik scheint mir im Blick auf die Nachricht der Weisen bedenkenswert. In ihrem Buch schreiben Lesch und Müller „Sterne haben Vergangenheit und sagen nie etwas über die Zukunft.“ Es gehört zu den grundlegenden Erkenntnissen heutiger Wissenschaft, dass das Licht eines Sterns zu uns je nach Entfernung viele Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte braucht. Wenn wir am Nachthimmel das Funkeln eines Sterns wahrnehmen, dann sehen wir ihn so wie er vor langer Zeit geleuchtet hat. Möglicherweise gibt es ihn zum aktuellen Zeitpunkt gar nicht mehr, nur sein Licht ist noch zu uns unterwegs. Ein Stern, der aufgeht, nehmen wir erst nach einem langen Weg wahr.

Wir suchen Antworten auf die Frage „Welchen Stern haben die Weisen gesehen“ und haben letztlich nur Theorien. Mancher Experte bringt Kometen ins Spiel, weil auf Bilder der Schweif auffällt. Aber Kometen scheiden aus, da sie zur Zeit Jesu gar nicht als Himmelskörper galten und eher als Unheilszeichen gedeutet wurden. War es eine Supernova? Eher unwahrscheinlich. Heutige Forscher tippen auf den Planeten Jupiter, der auch als Wanderstern interpretiert wird und nach einer dreifachen Begegnung mit dem Nachbarplaneten Saturn auffällig leuchtete. Aber der Jupiter als Planet strahlt nie von sich aus, sondern reflektiert Licht, das von einem Stern kommt. Dieses Licht brauch Zeit. Wie auch immer die Frage nach dem Stern von Bethlehem gelöst wird. Eines ist sicher: Der Stern, den die Weisen gesehen haben, hat also Geschichte. Er weist mit seinem Strahlen über dem Stall zurück in eine Zeit, die lange zurückliegt. In welche Zeit? Das lässt sich nur schwer sagen, dazu müssten wir seine Entfernung und Grüße kennen. Aber möglicherweise ist er der Stern, von dem der Prophet Jesaja heute in der ersten Lesung berichtet, und der jetzt über die Nacht von Bethlehem strahlt und die Weisen führt, wie es der Prophet schon gesehen hat:

Steh auf, werde licht, Jerusalem,

denn es kommt dein Licht,

und die Herrlichkeit des HERRN geht strahlend auf über dir…

Nationen wandern zu deinem Licht

und Könige zu deinem strahlenden Glanz.

Lange Kapitel überliefert Jesaja eine gnadenlose Abrechnung mit dem Volk Israel, das gegen den Willen Gottes gehandelt hat und dafür jetzt im Dunkel des babylonischen Exils sitzt. Jetzt aber wendet sich die Stimmung. Jesaja wird mit diesen Versen zum Hoffnungsboten. Er erinnert die Menschen daran, wie Gott in ihr Leben getreten ist und wie sie selbst die Fülle der Zuwendung erlebt haben. Das Volk lebt noch in einer anderen Wirklichkeit, das weiß Jesaja: „Finsternis bedeckt die Erde und Dunkelheit die Völker.“ Klingt ein wenig wie die Vorlage der Trilogie „Herr der Ringe“, in der auch ein finsterer Herrscher Dunkelheit über die Welt bringen will. Wir brauchen aber keine Fiktion: Dunkelheit und Finsternis liegen als drückende Schatten über der Erde zur Zeit des Propheten und in unseren Tagen. Es sind immer die gleichen Schatten: Resignation, weil sich immer wieder die gleichen Kreisläufe von Gewalt und Gegengewalt wiederholen; Erschrecken über die Macht des Bösen, die so rücksichtslos ist; Sorge und Angst um die eigene Zukunft, die doch oft perspektivlos erscheint. Das trifft uns als einzelne Menschen, heute wie vor 2600 Jahren, und als Völker und Weltgemeinschaft. Leben ist oft nur eingeschränkt möglich, verbunden mit Verzicht auf Sicherheit, Freiheit, Wohlergehen, Gesundheit. Das sind die Schatten in der großen Geschichte der Menschheit. Dem setzt Jesaja das Licht der Fülle entgegen: Die Sternstunde der Menschheit ist strahlend, weil sie der erste Augenblick der Geschichte überhaupt ist, in dem Gott selbst spricht: „Es werde Licht.“ Alles, was wir über Gott sagen können, ist niemals verbunden mit dem Gedanken der Einschränkung und des Mangels. Wo Gott ist, da ist Fülle. Der Glanz der ewigen Fülle strahlt den Weisen auf. Zunächst können sie es nicht zuordnen. Sie laufen in die Irre, weil sie den Stern überfrachten mit ihren eigenen Vorstellungen und Meinungen. Sie reduzieren ihn auf ein Vorzeichen für politische Ereignisse. Aber diese Verengung widerspricht seinem Wesen. Er strahlt nicht nur über einem Herrscherhaus, einem Volk oder einer bestimmten Epoche; er zeugt von Leben in Fülle für jeden überall und zu jeder Zeit. Das kann kein neuer Stern sein, er leuchtet her aus der Ewigkeit, das erkennen die Weisen und lassen sich durch den Stern führen zu einem Ort des Mangels, dem Stall von Bethlehem. Dort aber erkennen sie die umfassende Hoffnung der Menschheit und des Kosmos. Dieser Stern leuchtet allen und ist nicht nur ein Blitzlicht für eine begrenzte Zeit und einen engen Ort. Er erinnert sie an den Anfang der Schöpfung und sagt so etwas über die Zukunft. Matthäus bringt den Stern nicht zufällig in seine Weihnachtserzählung. Er erinnert an eine spannende Erzählung in der hebräischen Bibel. Als Israel auf dem Wüstenzug sich dem Land Moab nähert, schickt der Heerführer Balak den Seher Bileam entgegen mit dem Auftrag, das Volk Gottes zu verfluchen. Dreimal stellt sich ein Engel Gottes ihm in den Weg, aber Bileam merkt es nicht. Allein sein Esel weigert sich, weiterzugehen trotz Schläge und Verwünschungen. Die Sturheit seines Reittiers lässt Bileam umdenken und den Engel erkennen. Statt zu Verfluchen, wird er Israel segnen und ausrufen: Ein Stern geht auf in Jakob, und ein Zepter erhebt sich aus Israel“ (Num 23,7; 24,17)

Der Stern von Bethlehem führte die Heiligen Drei Könige zum Jesuskind. Er wusste aber auch, wo die Könige zu finden waren, er wusste, dass sie Hilfe brauchten, obwohl sie Könige sind. Er leuchtete ihnen den Weg, strahlte über der Krippe, gab Licht, als sie da waren. Das war mehr als ein astronomisches Phänomen, es war der Stern ihrer Hoffnung und ihres Vertrauens, das aus der Erfahrung mit dem herrührt, der das Gute vollbringen kann.

Wir befragen die Sterne und wissen doch, dass sie nur wenig sagen über die Zukunft. Windige Horoskop-Ersteller versuchen uns gerne auf Jahrmärkten und in Zeitungen das Gegenteil weiszumachen und uns ihre verschwurbelten Zukunftsprognosen als Bären aufgebunden. Aber unsere Sterne hier in der Kirche weisen zunächst zurück und erzählen von Sternstunden, Momenten und Erfahrungen, in denen das Gute aufgeleuchtet ist und noch heute in unser Leben strahlt. Mein Stern leuchtet seit Beginn meines Daseins. Er blitzt nicht auf und gaukelt mir Glück vor, sondern leuchtet in das Dunkel hinein, das ich sehe und durchlaufe. Er ist kein Stern in der Ferne, nach dem ich mich ausstrecke und den ich nie erreiche, er ist die Erfahrung mit dem, der wirklich Licht ist, und auch mein Leben oft genug hell gemacht hat in meinen eigenen Sternstunden. Weil diese Sternstunden über unsere Gegenwart leuchten, werden sie aber auch zu Boten der Zukunft. Da geht es uns wie den Menschen zur Zeit des Jesaja. Wir sind geneigt, die Zukunft oft schwarz zu sehen. Die Sternstunden erinnern uns an das unerwartete Licht, das plötzlich in unserem Grau auftauchte und ermutigt zu glauben, dass im tiefsten Dunkel noch Licht zu finden ist.

Der Maler und Priester Sieger Köder, der 2011 verstorben ist, hat das in einem Gedicht „Folge dem Stern“ ins Wort gebracht:

Folge dem Stern

Die Menschen konnten schon immer ahnen,

dass Menschengeschichten und Sternenbahnen,

die manchmal kurzen, die manchmal langen,

halt miteinander zusammenhangen.

Als Gott sprach, dass die Erde werde,

da war ein Stern auch unsere Erde.

Aus Sternenstoff sind wir selber gemacht,

ein jeder Mensch in seiner Nacht,

ein Sternenstaub auf seinen Wegen,

und andere Sterne kommen entgegen.

Und andere denken: Wie ein ganz dunkles Zelt

Spannt sich das Himmelsgewölbe über unsere Welt,

und jeder Stern ist ein ganz kleines Loch,

da leuchtet von oben der Himmel dann doch.,

ein wenig durch, und dann kann es sein,

wir schauen durch den Stern in den Himmel hinein.

Ein Stern, durch den wir den Himmel sehen,

ein Stern, der will uns entgegen gehen,

ein Stern, der kreuzt unsere Lebensbahn,

ein Stern, der gibt uns die Richtung an,

ein Sternbild von Gott, das strahlt in den Schacht

der Herzen und jedem in seiner Nacht,

ein solcher Stern, der alles ist,

das ist unser Heiland Jesus Christ.

Wir müssen unseren Stern nicht im Dunkel der Zukunft suchen, er strahlt seit dem Beginn aller Zeit schon in unsere Tage hinein. Was wir entdecken sollen, sind die Sternstunden unseres Lebens, damit sie als Hoffnung leuchten und uns führen. Amen.

Sven Johannsen. Pfarrer

Die Predigt als Download

Epiphanie 2024 Jeder Stern hat seine Geschichte