Predigt zu Christi Himmelfahrt 2025 – Das Stück Himmel in mir

 

Waren Sie schon einmal im Meininger Theater, liebe Schwestern und Brüder?

Keine Sorge, ich möchte jetzt keine Werbung für meine thüringische Geburtsstadt machen. Aber möglicherweise bevorzugen Sie es ja, falls sie heute noch kein Ziel mit dem Bollerwagen haben, dorthin zu fahren. Es sind circa zwei Stunden, die gefahren werden müssen.

Wenn Sie vor dem Staatstheater Meiningen ankommen, stehen Sie erst einmal vor einem riesigen Bau aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Gewaltige Säulen schmücken das Gebäude und verleihen ihm eine schmucke Gestalt, die an die Antike der Griechen und Römer erinnert. Wenn man so will, kann es ein Vorgeschmack auf die vollendete Vision eines Menschen auf die zeitlose Schönheit sein.

Mein Augenmerk liegt aber nicht auf der monumentalen Außenfassade, sondern auf etwas Gewöhnungsbedürftigem: In Foyer des Theaters finden sich unterschiedliche Büsten aus Marmor. Und eine dieser Büsten ist sehr außergewöhnlich. Sie zeigt einen Mann um die 40 Jahre alt. Er hat lange Haare und einen langen Bart. Sein Gesichtsausdruck wirkt etwas streng. Es handelt sich um den Schriftsteller Otto Ludwig (1813 bis 1865). Zugegeben ist er keine Pflichtlektüre in deutschen Schulen und eher in Vergessenheit geraten. Aber er gibt uns am Fest der Himmelfahrt Jesu einen bedenkenswerten Impuls mit:

„Der Mensch soll nicht sorgen, daß er in den Himmel, sondern daß der Himmel in ihn komme.“

 

Das ist schon eine Umkehrung dessen, was viele schon im Kindesalter beten: »Lieber Gott, mach‛ mich fromm, daß ich in den Himmel komm‛.« – Ludwig dreht diese Vorstellung völlig um. Nicht die Ausrichtung auf den Himmel alleine ist wichtig, sondern daß genau dieser Himmel in mir seinen Platz findet. Der Himmel wird abstrakt; er ist nicht weiter „da oben“, sondern kommt herunter. Mehr noch: Der Himmel bricht in mir an! Eine sehr schöne Vorstellung, wie ich finde. Es ist aber keinesfalls etwas Neues, was Ludwig fordert. Er knüpft bei der Aussage der beiden Männer in den weißen Gewändern an. Sie maßregeln diejenigen, die am Ölberg in Jerusalem stehen und einfach nach oben schauen. Überspitzt ausgedrückt möchte ich fragen: Kannst Du Deinen Gott dort finden?

Es ist aber auch zu einfach, zu sagen, daß Gott ja in mir und in allen Lebewesen ist und damit alles göttlich. Das wird Gott nicht gerecht und birgt die Gefahr, daß ich Gott auflöse in ein gutes Gefühl. Wir Christen glauben nämlich, daß Gott „echt“ ist. Daß es ihn als eigenständige Person gibt, die in der Welt wirkt, aber doch größer ist als sie.

Das beweist er selbst in Seinem Sohn Jesus von Nazareth. Er ist wirklich ein Mensch und zugleich Gott. Ich weiß, es ist eine schwierige Vorstellung für unser Denken. Darum stehen auch die galiläischen Männer da und schauen nach oben. Das geht doch gar nicht, daß ein Mensch aufsteigt! Und plötzlich ist er weg. Mit ihrem Aufsehen zum blauen Himmel zeigen sie an, daß das „echt“ ist. Sie vermissen ihn. Jahrelang sind sie mit ihm durch die ganze Gegend gezogen, haben mit angesehen, wie er gepredigt hat, Menschen heilte und zum Glauben führte. Nun ist er weg und es bleibt nur der verzweifelte Blick in den Himmel.

Eines haben sie in diesem Augenblick nicht verstanden. Das meine ich auch gar nicht als Vorwurf. Zwischen ihnen und uns liegen 2.000 Jahre und wir wissen heute aus der Bibel mehr als sie damals. Eines können sie nicht wissen: Jesus ist mit ihnen und er bleibt bei ihnen durch den Geist Gottes. Er kommt aber erst an Pfingsten. Er kommt aber nur, weil in den Apostel, in allen Frauen und Jüngern, die Jesus begleitet haben bis zu Seiner Himmelfahrt der Himmel innerlich angebrochen ist. Der Evangelist Lukas nennt es den Anbruch des Reiches Gottes im Menschen [vgl. Lk 17.20 f]. Dabei ist der liebevolle Blick mit Gottes Augen in mich hinein wichtiger als die Schau in die Höhe, auch wenn der bayerische Himmel ja besonders in der Bayernhymne gepriesen wird.

 

Ich bin Ihnen noch aber eine Antwort schuldig auf die Frage, wie denn der Himmel in mir anbrechen kann: Da mag es sicher viele Möglichkeiten geben: der Empfang der Sakramente, die Liebe zu Gott und zu meinen Mitmenschen, die Hilfe bei Bedürftigkeit eines Anderen, Freundlichkeit…

Ich habe in diesen Tagen noch einen konkreten Hinweis: Die Kirche ist nicht der Himmel und nicht das Reich Gottes in seiner Vollendung. Es fällt oft schwer, Aussagen zu begreifen, die in der Kirche getroffen werden. Oftmals sind es auch politische Aussagen in irgendeine Richtung; und ich frage mich ganz persönlich: „Mußte das jetzt wieder sein?!“ Und die Menschen in der Kirche und auch in unserem Bistum haben viel Schaden angerichtet. Trotzdem lohnt es sich in dieser Institution Kirche zu bleiben: Möchte einer die Gemeinschaft missen, die wir im Gottesdienst miteinander erleben? Möchte jemand die sozialen und caritativen Einrichtungen und Arbeitsstellen, die die Kirchen in Deutschland schaffen, lieber nicht haben?

Die Institution Kirche ist nicht der Himmel; auch wenn sie es manchmal denkt. Aber sie verbindet uns Menschen bereits auf der Erde, wie es auch im Himmel einmal sein wird. Und dieser Himmel ist in meiner Taufe angebrochen in mir. Ich muß ihn nur pflegen und weiter aufbauen mit Jesus Christus zusammen.

Ich verspreche Ihnen, das ist kein schön verziertes Theater! Schauen Sie doch die kommenden Tage bis zum Pfingstfest in sich hinein! Sie werden das Reich Gottes finden können.

Amen. Und Ihnen einen gesegneten Feiertag!

 

Kaplan Tommy Reißig.

Bild: Friedbert Simon, in: Pfarrbriefservice.de
Zitat: Otto Ludwig, Zwischen Himmel und Erde, Gutenberg Edition 16., 2. vermehrte und verbesserte Auflage, 1856.