Licht aus! Ja, genau! Licht aus!
Liebe adventliche Gemeinde!
Ich fordere Euch nun auffordern, die gesamten Lichter in der Kirche zu löschen. Beginnen müssen wir mit dem Adventskranz, dem jüngsten Licht dieses Sonntages… Warum fragt Ihr nun bestimmt?!
So kann ich den Advent nicht feiern! Menschen, die gegeneinander kämpfen; Menschen, die sich gegenseitig verletzen; Menschen, denen Leid und Unrecht geschieht. Und genauso steht es im Evangelium: Das Licht wird nicht an sein, sondern wird ausgelöscht werden. Da gehen die Licht sogar radikal aus: „die Sonne wird sich verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen.“ [Mk 13,24 f.] Damit sind nicht nur meine Schwibbögen in den Fenstern gemeint oder die hell erleuchteten Stadtlampen. Es ist die Rede vom Untergang der Welt. Dann wenn die völlige Dunkelheit über den Menschen eintritt und die Nacht ihn umgibt, da braucht es Mut, vor allem im Advent…
Licht aus! – Licht aus!
Viele von uns erleben den Advent sehr doppeldeutig: Einerseits will ich mich auf die Geburt Jesu 2024 vorbereiten und freue mich auf ein schönes Weihnachtsfest mit meiner Familie… Andererseits werde ich mitgerissen vom Strom der Hektik und des „Noch-Müssens…“ in den nächsten vier Wochen. Und am Ende denke ich dann: „Gott sei Dank, ich habe es geschafft! Der Advent ist vorbei.“ Dann kann ich auch gleich alle Lichter löschen und den Advent übergehen…
Licht aus?!
Aber genau das soll ja der Advent gerade nicht sein. Es ist eine Zeit der Wachsamkeit und der Achtsamkeit. Gerade da, wo Menschen einander verletzen und mißachten, soll ich wachsam bleiben für die Gerechtigkeit, wie sie der Prophet Jeremia in der Ersten Lesung beschrieben hat. Gerade jetzt, gerade heute braucht der Mensch seinen Gott. Hinter allem Bösen auf der Welt steht die Sehnsucht nach Ihm! Die Sehnsucht nach Mut, für das Recht unter uns einzutreten. Diese Sehnsucht garantiert Gott. Es ist eine Adventssehnsucht und sie hört im Leben niemals auf.
Bei aller Schuld, die der Mensch gegenüber Gott und gegenüber seinen Mitmenschen auf sich lädt; bei aller Angst, die er hat; bei allen Unruhen, Krisen und Kriegen in der Welt gibt es jemanden, der mich rettet.
Er beharrt nicht auf sein Recht, der Schöpfer und Bestimmer von mir zu sein. Gott überwindet seine Göttlichkeit und wird selbst ein Mensch. Ich bin ihm als geliebtes Kind viel wichtiger als sein Machtanspruch. Egal, wie oft ich auch Fehler mache in meinem Leben, Dunkelheiten verursache und selber in die Dunkelheit gerate. Gott ist da im Dunkeln! Und ich brauche in diesen schwierigen Tagen nur selbst den Mut, mir das immer wieder zu sagen: Gott ist da!
Licht aus?! – Wenn Gott wirklich auf die Erde kommt.
Aber genau dann, wenn die Welt zu Ende geht, kommt Gott? Wenn komische Dinge auf der Welt passieren und die Welt sich verändert, kommt Er? – Ja, dann kommt Gott ein zweites Mal auf die Welt. Das erste Mal war damals an Weihnachten und das zweite Mal, wenn die Erde irgendwann unter geht.
In den nächsten vier Wochen kommt Er aber ein drittes Mal: in mein persönliches Leben. Er kommt zu Euch und zu mir. Diese Ankunft ist entscheidend! Menschwerdung und Wiederkunft Christi sind nur dann erfreuliche, lichtbringende Ereignisse für diese, unsere Zeit, wenn Jesus in mein Herz kommen darf.
Strophe 5 des Liedes von Anna Martina Gottschick aus dem Jahr 1972 macht doch klar: Gott schenkt den Mut zur Gerechtigkeit. Er schenkt Hoffnung in schwierigen Tagen. Er verschenkt sich selbst an mich und an alle Menschen, die ihn haben wollen. Auch im Krieg, auch im Streit und auch im Hass kommt er. Gott wohnt in der Dunkelheit des Lebens. Da gibt es Erschütterungen, Unsicherheiten. Da wird es auch die Nacht des Nicht-Glaubens geben. Und Gott wirft manches in meinem Leben über den Haufen; selbstgemachte Pläne und Vorstellungen. Er bläst unsere selbstentzündeten Irrlichter aus. Aber er läßt diese ausgepustete Kerze in mir nicht leer zurück. Er tritt selbst an diese Stelle und erleuchtet mein Leben. So hat er es auch bei den Heiligen in deren Zeit getan.
Licht aus!
Bei all meiner menschlichen Nacht gibt es nichts spannenderes, als ein Leben mit Christus, dem Licht für diese Welt. Das wird gewiß nicht langweilig. Aber es braucht meine Wachsamkeit, meine Achtsamkeit und den Aufruf zum Wachsam sein! Dafür brennt die erste Kerze des Adventskranzes. Wenn sie nur deshalb in meinem Haus leuchtet, weil es eben dazugehört, um das jährliche Geschenke- und Glühweinfest zu feiern, dann puste ich sie lieber aus.
Ist sie aber ein Zeichen meiner Wachsamkeit, weil Gott in meine Dunkelheit und die Schwierigkeiten der Menschen in unserer Zeit eintritt, ist sie das Zeichen des kommenden Gottes in dieser, unserer Zeit.
Und gerade heute gilt für Dich und für mich:
Richtet Euch auf und erhebt Euer Haupt: Eure Erlösung ist nahe! –Lukas 21,28-
Kaplan Tommy Reißig.