Predigt zum 3. Advent 2024 – Jubel trifft Kamelhaar

Aber, aber, aber…

Schon wieder kommt so ein ganz unbequemer Mensch daher und sagt mir, wie ich mein Leben führen soll. Er meint zu wissen, was gut für mich sei. Ist es denn nicht irgendwann auch einmal gut mit der Bevormundung?!

Sicher, liebe vorfreudige Schwestern und Brüder, kennt Ihr auch einen solchen Menschen, der immer alles besser weiß. Der immer reinredet und immer wieder sagt, wo es seiner Meinung nach lang geht. Bei all meinen schönen Planungen und Vorhaben; allen guten Gedanken, die mir kommen und allen schönen Momenten meines Lebens, hat diese Person etwas einzuwenden. Kann er mich nicht einfach einmal in Ruhe lassen? Diese Adventszeit ist eh schon stressig und hektisch genug. Aber immer muß dieser Mensch frei heraus sagen, was er denkt.

Angeblich will er mich auf die Probleme in meinem Leben und in meinem Umfeld aufmerksam machen. Dabei ist dieser alte Prophet doch schon seit 2000 Jahren tot. Und von einem Menschen, der Kamelhaar trägt und Heuschrecken und wilden Honig ist, brauche ich mir nicht über einen guten Lebensstandart sagen lassen. Was interessiert mich die Notlage der Menschen seiner Zeit?! Und was gehen mich die Probleme und Sorgen meiner Mitmenschen an? Ich habe mit mir selbst genug zu klären…

Aber, aber, aber…

Vielleicht hat der alte zottelige Mann aus der Wüste in der Jordansenke doch nicht ganz Unrecht. Die Problematik des menschlichen Lebens, die er beschreibt, ist zweifelsohne zeitlos: Einsamkeit, Angst, Misstrauen, Verzweiflung und Ungerechtigkeit. Jeder Mensch gerät irgendwann im Leben in Not. Egal, wie diese aussehen mag. Alle Menschen haben ihr Päckchen zu tragen und wissen irgendwann nicht mehr weiter. Da brauchen sie einen teuren Rat. Am besten noch kommt dieser Ratschlag von oben. Zumindest kommt ein guter Rat von oben aus dem Zion, dem großen Berg in Jerusalem erklingt Hoffnung durch den Propheten Zefanja: „Juble, Tochter Zion! Jauchze, Israel! Freue dich und frohlocke von ganzem Herzen […]“ [Zef 3,14]. Diese Botschaft der Freude für die Welt und der meines Lebens bringt Tröstung mit sich. Es ist die Tröstung für die schwierigen Zeiten im Leben. Sie kommt nicht von irgendwo her, sondern von dem, der nach alten Vorstellungen auf dem Zion als König wohnt.

Aber, aber, aber…

Dieser von uns besungene König, der auf dem Zion wohnt, verspricht ja, daß Er bald zu mir kommt. Daß Er bald die Erde besucht. Daß sich dann alles sich wenden wird. Er verspricht Hilfe vom Zion.

Aber, aber, aber…

Bei all dieser Hoffnung bleiben die Zweifel bestehen. Dann da ist er wieder, unten in der Jordansenke, ein solcher Aber-Mensch. Zweifelsohne war Johannes der Täufer aus dem heutigen Evangelium ein solcher. Auch er ist ein ganz unbequemer Mensch für die Obrigkeit seiner Zeit und mein eigenes Leben. Er provozierte alleine durch sein Auftreten in der trostlosen Wüste der Jordangegend. Seine ungewöhnliche Kleidung aus zotteligem Kamelhaar und seine rohen und für jeden Menschen verständlichen Worte passen nicht in das Bild hinein! Dieser Mensch will mir normalen Bürger erklären, wie ich leben und denken soll?! Ist diese Verkündigung des Mannes am Fluß Jordan überhaupt glaubwürdig und aktuell?

Aber, aber, aber…

Auch wenn die beiden Propheten, Zefanja aus dem Alten Testament, und Johannes, aus dem Neuen Testament, eine entgegengesetzte Wahrheit verkünden, mich Johannes mit seinem Auftreten provoziert, und Zefanja beschwichtigt mit der aufkommenden Freude, ist ihre Botschaft dennoch harmonisch und dadurch glaubhaft. Sie zeigen nicht auf sich, auf ihre Verdienste und Bedürfnisse, sondern weisen auf Gott selbst hin. Gott, der als König von oben herab kommt in die menschliche Tiefe, vom Zion hinuntersteigt in die Jordansenke, ist da in der Ernsthaftigkeit und in der Freude. Gott kommt in diese Welt mit all ihrer Ambivalenz! Und nun kommt der Gipfel des heutigen „rosa-farbenen“ Sonntages: Der König und Sohn Davids kommt zu allen Menschen hinunter gestiegen! „Sei gesegnet deinem Volk“, heißt es im wunderschönen Lied Tochter Zion von Friedrich Heinrich Ranke von 1826.

Aber, aber, aber…

Von Seiner Liebe ist niemand ausgeschlossen, der ihn annimmt und aufnimmt. Aber ich muß sich von dieser Nachricht herausfordern lassen. Meine Lebensweise darf überdacht werden. Wenn Gott in mein Leben eintritt, wird es sich verändern. Das kann ich natürlich und ohne Weiteres ablehnen. Bleibt dann aber noch die Freude, daß alles gut werden wird in meinem Leben? Das muß jeder in der verbleibenden Zeit des Adventes für sich entscheiden. Ich bin ehrlich: Auch ich tue mich mit dieser Lebensentscheidung nicht leicht.

Habe ich mich aber entschieden und Gottes Eindringen und umkrempeln in mir angenommen, dann darf auch ich ein „Aber-Mensch“ gegen die Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft werden. Vielleicht ein Aber-Mensch ohne Kamelhaar, aber mit Jubel im Herzen. Aber, aber eines noch ist wichtig zu wissen für die restlichen eineinhalb Adventswochen vor Weihnachten…:

„Ja, der kommt, der Friedensfürst.“ – aber ohne ein „Aber“…

 

Kaplan Tommy Reißig

Bild: Christiane Raabe, in: Pfarrbriefservice.de