„Alle hoffen.“
Liebe Festgemeinde!
„Alle hoffen. Im Herzen eines jeden Menschen lebt die Hoffnung als Wunsch und Erwartung des Guten, auch wenn er nicht weiß, was das Morgen bringen wird.“
Dass alle Menschen eine Hoffnung in sich tragen, ist die Kernbotschaft der Verkündigungsbulle des Heiligen Vaters, Papst Franziskus, zum aktuellen Heiligen Jahr.
Aber – so der Satz des Papstes – auch wenn viele in der Gesellschaft darauf hoffen, daß die Umstände, in denen wir leben, sich ändern, daß sie besser werden, weiß doch jeder um die Realität des Heute: Schauen wir nur auf die schrecklichen Ereignisse vor einer Woche ganz in der Nähe, in Aschaffenburg, als unschuldigen Menschen schreckliches Leid zugefügt wurde. Blicken wir auf die Lage im Nahen Osten, wo es momentan eine Entspannung geben könnte, auch wenn vorgestern bekannt wurde, daß acht Geiseln der Hamas tot sind. Seien es die Erinnerungen an den nicht in Worte zu fassenden Holocaust in Auschwitz-Birkenau, dessen wir vorgestern zum 80. Mal wieder gedacht haben. Und noch viele andere Ereignisse können wir den Worten „Alle hoffen“ des Papstes dem entgegenstellen, egal ob es sich um persönliches oder um kollektives Leid handelt.
Trotzdem wagen wir Katholiken es in diesen Zeiten, uns als Pilger der Hoffnung zu bezeichnen. Wir sind als Pilger unterwegs in diesem Jahr. Zahlreiche geistliche Angebote, Wallfahrten und Gottesdienst, nicht nur in Würzburg, nicht nur in Rom, sondern auf der ganzen Welt werden angeboten. Wir alle sind dazu aufgerufen, gerade in diesem Gnadenjahr unseren Blick zu weiten. Ein Blick hinaus aus dem deutschsprachigen Raum ermöglicht eine Schärfung meiner Hoffnung und somit auch meines Glaubens. Ich bin als gläubiger Mensch nicht alleine. Ich komme mit meinem eigenen Leben, meinen Erfahrungen in meiner Heimatgemeinde und mit meiner persönlichen Frömmigkeit, um als Same Gottes in dieser Welt aufzugehen. Ich selbst bin ein Träger dieses göttlichen Samens, der für die Welt gedacht ist. Besser gesagt für die Menschen, die in dieser Welt nach der Hoffnung pilgern.
Damit dieser Keim der Hoffnung jedoch erblühen kann, braucht es die Nähe zu Gott, der wie die Sonne in meiner Dunkelheit aufleuchtet, wenn ich ihn darum bitte. Er braucht auch die Verbindung zu ihm; die Verwurzelung, die ihn wie bei den anderen auch Halt gibt. Und es braucht neben der Hoffnung die Geduld. Sie ist oft die schwerste Tugend für mich. Ich kann auch nicht genau bestimmen, für wen mein Zeugnis des Glaubens fruchtbar werden kann und wer es als reine Spinnerei abtut. Das liegt alleine in Gottes Händen. Das liegt daran, wie offen die andere Person für Gottes Wort sein kann. Damit ich nicht abstumpfe im Glauben, gibt es eben dieses Jahr der Hoffnung für die ganze Kirche. Für uns alle ist es wichtig, die Stärkung andere zu erfahren.
Liebe Festgemeinde,
entgegen meiner bisherigen Predigt möchte ich Euren Blick noch einmal verkleinern. Es ist immer wieder gut, daß wir uns als Teil der Gesamtkirche verstehen und wahrnahmen. Jede Teilkirche hat nun aber ihre eigenen Traditionen und Bräuche. Deshalb ist es gut, wenn wir heute Abend ganz gezielt auf uns hier in Sankt Peter und Paul blicken.
Papst Franziskus schreibt weiterhin: „Das glaubwürdigste Zeugnis für diese Hoffnung geben uns die Märtyrer […].“
Wir feiern ja gemeinsam heute Abend das Fest des heiligen Blutzeugen Aquilin. Wir alle wissen, daß er als Bürger dieser altehrwürdigen Stadt geboren wurde. Vor der Peterskirche finden wir eine große Statue des Heiligen, der in Köln seine Ausbildung genoß und dort als Priester wirkte. Ich persönlich meine, daß der heilige Wezelin – wie er wohl ursprünglich im deutschsprachigen Raum genannt wurde – schon zu Lebzeiten als Pilger der Hoffnung bezeichnet werden kann. Auch wenn die Lebensumstände vor 1000 Jahren anders waren als heute und die Menschen anderen Einflüssen ausgesetzt waren, war Aquilin doch einer derjenigen, die den Glauben in ihre Zeit hinein gesät haben. Er zieht fort von Würzburg, um in der Fremde für Gott und die Menschen zu wirken. Dabei nimmt er in Kauf, daß die Menschen ihn ablehnen und seine Botschaft nicht verstehen. Doch es war zu jeder Zeit und an allen Orten so, daß die Menschen in ihrem Inneren nach der Hoffnung fragen und sie suchen.
Um den Menschen Helfer und Ratgeber in Hoffnungsfragen zur Seite zu stehen, tritt der heilige Aquilin ganz in den Dienst Gottes, obwohl er sich seiner eigenen Fehlerhaftigkeit bewusst ist. Er hält sich ganz an den einzigen Hohenpriester des Neuen Bundes Jesus Christus, der auch vollumfänglich im Dienst Gottes stand und Ablehnung erfuhr. So wie der Herr durch sein Eintreten für die Hoffnung der Menschen auf ihren Gott starb, so stirbt auch Aquilin durch einen Dolchstoß in den Hals, heißt es in den Berichten seines Martyriums. Als Pilger der Hoffnung auf Erden geht er ein als Pilger für die Hoffnung in den Himmel.
Nun bleibt noch die abschließende Frage:
Was ist für den heiligen Aquilin so wertvoll an der Hoffnung gewesen,
daß er sogar sein Blut für sie hergegeben hat?
Es ist der Frieden Gottes mit seinem Volk, mit seiner Kirche und mit mir. Aquilin wußte ganz genau, daß der Mensch diese Hoffnung auf Gottes Frieden in seinem Leben niemals verlieren darf, egal wie aussichtlos und wie katastrophal es in der Welt erscheint. Gottes Friede sieht anders aus als bloße Waffenruhe ein paar Tage lang und ein Pakt per Handschlag. Er ist vielmehr ein ewiger Bund mit uns, wenn die Welt es auch nicht begreifen kann. Diese Haltung des innerlichen, geistlichen Friedens darf gerade unter uns Christen erhalten bleiben und durch uns in dieser Generation durchscheinen. Auch wir sind immer wieder neu aufgerufen Pilger der Hoffnung zu werden und zu sein wie der heilige Aquilin von Würzburg es war und noch immer ist.
Somit möchte ich schließen, wie ich auch begonnen habe, mit einem der letzten Sätze der Verkündigungsbulle des Heiligen Vaters:
„Lassen wir uns fortan von der Hoffnung anziehen […] während wir zuversichtlich auf die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus warten, dem jetzt und in aller Zukunft Lob und Herrlichkeit gebührt.“
Amen.
Kaplan Tommy Reißig
Zitate aus der Verkündigungsbulle Spes non confundit von Papst Franziskus
Bild: Peter Weidemann, in: Pfarrbriefservice.de