„Bomben-Blindgänger nach größter Evakuierung seit Zweiten Weltkrieg entschärft“ (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/kolner-konnen-in-wohnungen-zuruck-bomben-blindganger-nach-grosster-evakuierung-seit-zweitem-weltkrieg-entscharft-13799605.html), titelte am vergangenen Mittwochabend der Tagesspiegel. Am Montag zuvor fanden Arbeiter bei Sondierungsarbeiten am Nachmittag drei Kampfmittel, die seit über 80 Jahren dort unbekannt in der Erde lagen. Mehr als 20.000 Menschen wurden evakuiert und die Bomben am Mittwoch glücklicherweise entschärft, ohne weiteren Schaden anzurichten.
Aber auch wenn durch diese Blindgänger keine medizinischen oder materiellen Beschädigungen entstanden sind, so bleibt doch ein emotionaler Schaden im Menschen behaftet: Die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse der beiden großen Kriege bleibt, in denen Menschen unterschiedlicher Nationen und Herkünfte, anderen Menschen Schaden zufügten und sie auszurotten versuchten. Schreckliche Bilder von Feuer am Himmel und auf der Erde, weinende und verwundete Menschen und auch von Getöteten sind nicht nur in den Schulgeschichtsbüchern und in den sozialen Medien allgegenwärtig. Die zentrale Frage, warum Menschen andere Menschen so behandeln und herabwürdigen ist auch heute, nach fast einem Jahrhundert, noch äußerst aktuell. Leider…
Ein krasses Gegenbild zu diesem Leid gibt uns das heutige Pfingstfest in unsere menschlichen und christlichen Überzeugungen mit: Da ist auch von einem kräftigen Sturm und von Feuer die Rede [vgl. Apg 2,2 f.]. Ein Sturm, der auf die Menschen niederfährt und Feuer, das sich auf diese verteilt. Jedoch müssen diese Phänomene von anderer Qualität als die schlimmen Bomben sein und dazu positiv im Menschen gefärbt.
Maria und diejenigen, die zur Gesellschaft Jesu gehören, verziehen sich nach seiner Himmelfahrt in ihre Gebetsgemeinschaft zurück. Sie wissen, daß sie nur zusammen bestehen können. Sie haben Angst! Sie fürchten die Anfeindungen und Angriffe von außen; sind verunsichert, weil ihnen mit Jesus ein Vertrauter und ihr Lehrer sichtlich genommen ist. Es fehlt jemand entscheidendes für sie und für ihren Mut! Obwohl Er kurz vor seiner Himmelfahrt zu ihnen sagte, daß sie in die Welt hinaus zu allen Menschen gehen sollen, um ihnen die Botschaft der Erlösung – also der inneren und äußeren Befreiung– zu verkünden, trauen sie sich noch nicht. Sie kennen bestimmt dieses Gefühl, wenn ich einer anderen Person etwas sagen muß, was mir wichtig ist. Ich weiß genau, was ich sagen möchte. Aber es fehlt mir noch der innere Anstoß, mich zu trauen und diese Sache anzusprechen. Die Gefahr der Ablehnung ist zu groß und schreckt doch ab. Ich meine, daß genau dieses Gefühl die Jüngerinnen und Jünger Jesu hatten. Sie wollen von Jesus und seinen Machttaten erzählen, aber ihr inneres »Ich« hindert sie noch daran.
Es braucht das rettende, innere Brennen, um aufzustehen und den Mut zu fassen. In dem Moment, wo es entscheidend für diese Gemeinschaft ist, und die Gründung der jungen Kirche beginnen soll, kommt Gottes Geist durch Sausen und Feuer auf sie hinab und kehrt in sie hinein. Auch wenn dieses Gefühl sicher unbekannt und ungewöhnlich ist, empfinden die Frauen und Männer, daß es nun, jetzt, in diesem Augenblick an der Zeit ist, Jesu letzten irdischen Auftrag zu erfüllen. Es ist Zeit die Türen zu öffnen und Gott und meine innere Überzeugung laut auszusprechen.
Anders als die schrecklichen Brände des Ersten und Zweiten Weltkrieges, ist jenes Feuer Gottes ist nicht zerstörerisch, weil es den Menschen nicht schaden, sondern die befreien will. Gott löscht nicht aus, sondern zündet im Menschen eine positive Kraft der Ermutigung an. Jenes Geräusch von oben ist kein Knall wie von Bomben, sondern ein menschlich-erträgliches Ereignis. Und diese Botschaft der innerlichen Freimachung des Menschen, kann von niemand weggebombt oder zerstört werden, sei es in der Vergangenheit, in der Gegenwart oder in der Zukunft. Gottes Heiliger Geist läßt keine Angst zurück, sondern verleiht den inneren Frieden. Den Frieden, den unsere Welt so dringend nötig hat.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich denke mir manchmal, daß es gerade unsere Aufgabe als gläubige Menschen ist, sich aufzumachen und in der Welt zu sagen, was zu sagen ist: Krieg ist immer sinnlos und fordert unzählige, unschuldige Opfer. Auch die drei Bomben in Köln hätten in der letzten Woche großen Schaden anrichten können, wenn sie nicht von Fachkräften entschärft worden wären. Ein unendliches Leid konnte verhindert werden, was vor über 80 Jahren geherrscht hat. Wenn wir nicht im Kleinen, zu Hause, in meiner Familie, im Freundeskreis oder auf der Arbeit für den geringen Frieden untereinander einstehen, so verschieden unsere Ansichten und Meinungen aus sein mögen und dürfen – dann befürchte ich, sagt es niemand!
Wäre die Gesellschaft Jesu nicht aufgebrochen aus ihrer Resignation vor 2.000 Jahren, wer weiß, wie die Welt heute aussehen würde?! Aber sie haben es gewagt und sind hinausgegangen. Ihr Wort zu den bekannten und fremden Menschen und ihr Lebenszeugnis sind glaubwürdig, weil sie nicht auf Machthaber, sondern einzig auf Gott vertraut haben und in der Gemeinschaft lebten.
Suchen auch wir immer diese Gemeinschaft miteinander, die uns stärkt und zusammenhält. Suchen wir Gott, wo es nur geht und versuchen wir auch, ihn im anderen zu sehen und zu spüren. Und das ist das wahrhaftige Werk des Heiligen Geistes: Ihn in mir zu erfahren und im anderen zu bemerken. Das ist das christliche Ziel von Pfingsten!
Euch allen ein gesegnetes Pfingstfest und den Mut, die Frohe Botschaft glaubwürdig in unserer Welt zu bezeugen!
Amen! Halleluja!
Kaplan Tommy Reißig.
Bild: Jürgen Damen, in: Pfarrbriefservice.de